(Wien/Rom) Die Diskussion über die umstrittene Entscheidung des Wiener Erzbischofs, Christoph Kardinal Schönborn, die kirchenrechtlich bedenkliche Wahl eines in einer eingetragenen homosexuellen Partnerschaft lebenden jungen Österreichers in einen Pfarrgemeinderat gutzuheißen, der die Lehre der Kirche zur Homosexualität offensichtlich ablehnt, reißt nicht ab. Durch den medialen Filter geht die Diskussion weitgehend am Kern der Frage vorbei, da die katholische Lehre kaum durchdringt. Der Erzbischof von Wien hat durch sein Verhalten wesentlich dazu beigetragen. Statt die Notwendigkeit und Gelegenheit zu sehen, um in einer Katechese den Menschen und der Presse die Lehre der Kirche zur Homosexualität zu erklären, vollzog er einen „Kniefall vor der Welt“ (Gnocchi/Palmaro).
Der italienische Philosoph und Politiker Rocco Buttiglione, dessen Ernennung zum EU-Kommissar 2004 an seinen katholischen Positionen zur Homosexualität scheiterte und der heute Vizepräsident der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments ist, kam Kardinal Schönborn zu Hilfe und versuchte dessen Entscheidung zu rechtfertigen. Die beiden katholischen Publizisten Alessandro Gnocchi und Mario Palmaro unterziehen Schönborns Entscheidung und Buttigliones Hilfe einer kritischen Analyse.
Ihre Kritik an der Entscheidung des Wiener Erzbischofs erhält besondere Aktualität wegen der Ermahnung eines Priesters durch den Bischof von Graz. Bischof Egon Kapellari, Diözesanbischof für die österreichische Steiermark warf dem südsteierischen Pfarrer Karl Tropper „Altersstarrsinns“ vor und drohte ihm für den Wiederholungsfall „kirchenrechtliche Konsequenzen“ an.
Karl Tropper, Pfarrer von Sankt Veit am Vogau, hatte in der April-Beilage zum Pfarrblatt ausführlich zur Homosexualität Stellung genommen. Darin kritisierte er „gezielte Desinformationskampagnen“ durch Homosexuelle, die „von seriösen wissenschaftlichen Forschungen“ widerlegt seien: „Es gibt kein Homo-Gen. Homosexualität ist daher auch nicht ‚eine natürliche Variante der Sexualität‘.“ Nach „biologischer“ und „psychologischer Erkenntnis ist Homosexualität eine Krankheit, und zwar eine erworbene Sexualneurose“. Pfarrer Tropper veröffentlichte, was die Bibel zur Homosexualität sagt. „Homosexualität ist heilbar“, so Pfarrer Tropper weiter, weshalb sie „als unheilbar proklamieren“ eine „gezielte Desinformation“ und zudem „zutiefst unchristlich“ sei, da „jedem Menschen von Gott die notwendigen Gnaden geschenkt werden, sündhafte Neigungen zu überwinden, wenn er darum bittet“.
Zwei Fälle, zwei Diözesen (Wien und Graz), zwei Pfarrer zur Homosexualität und zwei Bischöfe, die ihre Pfarrer bloßstellen oder gar mit kirchenrechtlichen Konsequenzen drohen. Letzteres Stichwort läßt aufhorchen angesichts der Engelsgeduld gegenüber ungehorsamen, schismatisierenden oder sogar häretisierenden Priestern, etwa jene, die im Konkubinat leben und/oder Glaubenswahrheiten leugnen. Etwas läuft schief in Österreichs Kirche.
Schönborn-Entscheidung nicht Akt der Nächstenliebe, sondern politischer Kniefall
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von Alessandro Gnocchi und Mario Palmaro
Die Fakten sind bekannt: Der junge Österreicher Florian Stangl, der öffentlich in einer homosexuellen Beziehung lebt, wurde mit den meisten Stimmen in den Pfarrgemeinderat von Stützenhofen nördlich von Wien gewählt. Der Pfarrer hatte Einwände, doch sein Bischof, Kardinal Christoph Schönborn griff ein, desavouierte den Priester und erteilte der Wahl seinen Segen. Die Sache ist seither mit der nötigen Diskretion wegen des Rangs des Purpurträgers, um den es dabei geht, Diskussionsthema innerhalb der vatikanischen Mauern.
Den Placet der Progressisten widersetzen sich in der Debatte die Non Placet der Konservativen
Dabei dürfte es eine solche Debatte eigentlich gar nicht geben, da die heilige römische Kirche die zur Debatte stehende Sache stets negativ bewertet hat. Nun aber drängt sich ein dritter Weg des placet iuxta modum vor, der die katholische Lehre bekräftigt, aber gleichzeitig die Vorgangsweise des Erzbischofs von Wien rechtfertigt. Rocco Buttiglione eilte zu Hilfe und tat dies auf die einzig mögliche Weise, indem er die Entscheidung von Kardinal Schönborn so willentlich mißverstand, daß sie am Ende wie ein Beweis christlicher Nächstenliebe erscheint.
Die Darstellung Buttigliones präsentiert sich in sechs Punkten:
- Gott will die Rettung aller Seelen, und daher auch der Menschen, die homosexuelle Verhaltensweisen leben.
- Ein Homosexueller kann bestens ein Christ sein.
- Der Kardinal hat nicht gesagt, daß Homosexualität nicht eine schwere moralische Unordnung sei.
- Die Kirche ist nicht der Ort der Perfekten, sondern der Sünder.
- Was aus der Kirche ausschließt, ist nicht die Sünde, sondern die Häresie.
- Die Unnachgiebigkeit gegen die Homosexualität muß im Gleichschritt einhergehen mit der menschlichen Annahme der homosexueller Personen.
Buttigliones wahre Dinge haben nichts mit dem Verhalten Schönborns zu tun
Alles wahre Dinge, die jedoch nichts mit dem Verhalten Schönborns zu tun haben. Die Mitgliedschaft in einem Pfarrgemeinderat bedeutet nicht, vom Pfarrer und vom Bischof als „Perfekte“ anerkannt zu werden – eine solche Kategorie ist dem Kirchenrecht völlig unbekannt – sondern als ausreichend in den Augen der Gemeinschaft geschätzte Menschen. Das Problem hat daher eine doppelte Richtung: Der Pfarrgemeinderat legitimiert einerseits „sich“ dank der Qualität seiner Mitglieder und „legitimiert“ anderseits seine Mitglieder.
Wenn ein junger Negationist mit nationalsozialistischen Sympathien in einen Pfarrgemeinderat gewählt würde, wäre es schwierig in der katholischen Welt einen Bischof oder einen Philosophen zu finden, die bereit wären, ihn im Namen der Nächstenliebe zu verteidigen und zu erklären, niemand sei perfekt.
Die aufsehenerregende und theatralische Intervention Schönborns hat nichts mit der Begegnung des Kardinals Federigo mit dem Ungenannten zu tun, ist keine gebührende Zuwendung der Vergebung, die Christus jenem reuigen Sünder verheißen hat.
Was der Wiener Kardinal getan hat, ist eine politische Geste, mit unweigerlicher Bedeutung für die Glaubenslehre. Seine Entscheidung ist ein unmißverständlicher Kniefall vor der Welt. Die Homo-Lobby drückt gegen die Portale der Kirche, damit sie ihre traditionelle Morallehre zum homosexuellen Verhalten aufgibt und der Kardinal hat sie zufriedengestellt. Schönborn glaubt, sich durchwursteln zu können, indem er erklärte, den jungen Mann zum Mittagessen getroffen und verstanden zu haben, daß er sich den Sitz verdient.
Auf diese Weise beweist er aber, die strengen Maßstäbe nicht zu kennen, die die Kirche anwendet, zum Beispiel gegenüber den wiederverheiratet Geschiedenen, denen der Empfang der Heiligen Kommunion untersagt ist, auferlegt ist, „wie Bruder und Schwester“ zu leben und selbst in diesem Fall wird empfohlen, nicht in der eigenen Pfarrei zu kommunizieren, um nicht der Gemeinschaft ein Ärgernis zu sein. Selbst wenn die Sünde nicht gegeben ist, auf den Skandal zu achten, der durch die Umstände erweckt werden könnte. Das Übel kann geduldet, aber nie zum Modell erhoben werden. Zum Schluß eine alles andere als nebensächliche Anmerkung: Mit welcher Autorität soll ein Priester, der von seinem Bischof bloßgestellt wurde, sein Amt unter den Menschen ausüben?
Text: Erstveröffentlichung Il Foglio/Übersetzung Giuseppe Nardi
Bild: Orizont