(Ajaccio) Msgr. Jean Marie Bonfils, der Apostolische Administrator der Diözese Ajaccio auf der Insel Korsika, zelebrierte am 11. März 2012 in der Kirche der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Ajaccio die Heilige Messe und spendete den Firmlingen der Piusbruderschaft das Firmsakrament im Alten Ritus. Es ist das erste Mal, daß ein französischer Bischof eine solche Geste setzte. Als der zuständige Ortsbischof hörte, daß der Generalobere der Piusbruderschaft, Msgr. Bernard Fellay erst im Mai nach Korsika hätte kommen können, erklärte er sich bereit, selber die Firmung im Alten Ritus zu spenden. Als Bedingung nannte er lediglich das Einverständnis der Familien der zu Firmenden.
Pater Mercury, der Beauftragte der Piusbruderschaft für Korsika, ist ein bekannter Kirchenrechtler, der bereits in- und außerhalb der Piusbruderschaft für Aufsehen sorgte. Er vertritt die These, daß das Notstandsrecht, auf das sich die Bruderschaft zur Rechtfertigung ihrer Entscheidungen und ihrer von Rom autonomen Handlungsweise beruft, Grenzen habe. Pater Mercury akzeptierte in diesem Sinne die Bereitschaft des zuständigen Diözesanbischofs, die Firmung im Alten Ritus zu spenden und verzichtete damit auf die Anwesenheit eines Bischofs der Bruderschaft, da durch die Bereitschaft von Msgr. Bonfils im Alten Ritus zu zelebrieren kein Notstand mehr gegeben war.
Die Haltung von Pater Mercury stieß in der Führungsebene der Piusbruderschaft jedoch auf wenig Wohlwollen. Der Generalobere Msgr. Bernard Fellay sandte seinen zweiten Assistenten Pater Alain-Marc Nély nach Ajaccio, um die Familien der Firmlinge zu drängen, die Spendung durch den Ortsbischof abzulehnen. Pater Nély verlas eine Botschaft, in der die Orthodoxie von Msgr. Bonfils in Zweifel gezogen wurde, verbunden mit der Aufforderung, die Firmung nicht aus seinen Händen entgegenzunehmen. Hintergrund für diese Haltung sind Fragen der internen Disziplin, die offenbar auf Kommunikationsprobleme zurückgehen. Pater Mercury holte keine Erlaubnis von seinem Generaloberen ein.
Die Gläubigen, die von der Frage der Disziplin innerhalb der Bruderschaft nicht direkt betroffen waren, folgten jedoch zum größten Teil nicht den Vorgaben der Generalleitung der Piusbruderschaft und nahmen am Sonntag am Heiligen Meßopfer und der Firmspendung im Alten Ritus durch ihren Ortsbischof teil. Die 19 Firmlinge waren, wie Pater Mercury inzwischen bestätigte, alle anwesend. Msgr. Jean Marie Bonfils, Jahrgang 1930, wurde 1954 für die Gesellschaft der Afrikamissionen zum Ordenspriester geweiht. 1992 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Diözesanbischof von Viviers und 1998 zum Diözesanbischof von Nizza. Im September 2011 wurde der emeritierte Bischof von Papst Benedikt XVI. zum Apostolischen Administrator der Diözese Ajaccio berufen, bis der neue Diözesanbischof sein Amt antreten wird. Die Ernennung des neuen Diözesanbischofs erfolgte am 22. Februar. Msgr. Olivier de Germay wird am 14. April in Ajaccio die Bischofsweihe empfangen. In einem Interview mit Nouvelles de France lobte Bischof Bonfils die Firmlinge und deren gute Vorbereitung auf den Empfang des Sakraments.
Die historische Geste eines amtierenden, inzwischen emeritierten Apostolischen Administrators löste eine Reihe von Spannungen aus. Vor allem in den der Priesterbruderschaft St. Pius X. nahestehenden Kreisen wird lebhaft über die Reaktion der Generalleitung diskutiert, die teils starkes Befremden auslöste.
Im Gefolge der Firmung tauchten Gerüchte auf, wonach Pater Mercury seit Wochen mit der Diözese Ajaccio über seine Inkardinierung verhandle oder angeblich bereits heimlich inkardiniert worden sei. Pater Mercury dementiert solche Behauptungen inzwischen entschieden. Es geht die Rede von einer Verleumdungskampagne gegen ihn. Er selbst ist bemüht, Wasser ins Feuer zu gießen. In einer Stellungnahme erklärte er, bis zur Firmung keinerlei Probleme mit der Leitung der Piusbruderschaft gehabt zu haben und wegen der Reaktionen auch keinen Groll gegen irgendwen zu heben. Befragt von der katholischen Tageszeitung La Croix, die tendenziös berichtete, dementierte auch Msgr. Bonfils irgendwelche Übertrittgespräche.
In zahlreichen, traditionsverbundenen Internetblogs wird danach gefragt, was die Generalleitung der Piusbruderschaft zu ihrer ablehnenden Haltung bewog, nach der Richtigkeit dieser Haltung und deren Folgen. Der allgemeine Tenor ist dabei, wie bereits unter den Gläubigen von Ajaccio, meist offenes oder verhaltenes Unverständnis. Die offizielle Begründung für die geforderte Ablehnung des Ortsbischofs durch die Generalleitung der Piusbruderschaft findet sich in der von Pater Nély in Ajaccio im Namen von Msgr. Fellay verlesenen Erklärung. Derzufolge sei der Empfang von Sakramenten durch Bischöfe und Priester abzulehnen, deren „Rechtgläubigkeit“ nicht gegeben oder zweifelhaft sei.
Die Internetseite der Piusbruderschaft in Italien veröffentlichte zudem am Morgen des 14. März einen enthusiastischen Beitrag über die „historische Geste“ von Bischof Bonfils, für die Gläubigen der Piusbruderschaft die Firmung im Alten Ritus zu spenden. Wenige Stunden später wurde die Seite ersatzlos gelöscht. Eine vor der Löschung erfolgte Cache-Speicherung ermöglicht die Ansicht. Sie verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen offensichtlicher Genugtuung über die Geste des Bischofs und der „Disziplinlosigkeit“ des zuständigen Priesters der Piusbruderschaft.
Eine offizielle Stellungnahme der Piusbruderschaft liegt bisher nicht vor. Die „historische Geste“ wird in den traditionsverbundenen Internetblogs fast durchgängig positiv bewertet. Mit Blick auf die Piusbruderschaft schrieb Messa in Latino, es sei erstaunlich, daß dennoch die Gefahr drohe, „in Zwietracht verwandelt zu werden, statt sie zur Stärkung der Tradition zu nützen“. Im Umfeld der Generalleitung des Piusbruderschaft verweist man hingegen auf die Notwendigkeit der internen Disziplin. Jedes Glied der Bruderschaft habe sich zum Gehorsam verpflichtet. Es sei daher die Eigenmächtigkeit des korsischen Seelsorgers, die auf den Widerspruch der Führungsebene stieß.
Die Willkommensworte von Pater Mercury an Bischof Jean Marie Bonfils am 11. März 2012 in der Kirche der Piusbruderschaft von Ajaccio.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: risposte-catholique