(Vatikan/Econe) Die Antwort wurde seit Tagen erwartet. Nun liegt sie vor. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat dem Vatikan eine Antwort auf die „Doktrinelle Präambel“ übermittelt, die Kardinal William Levada dem Generaloberen der Bruderschaft, Msgr. Bernard Fellay, am 14. September übergeben hatte und deren Annahme oder Ablehnung über den künftigen kanonischen Status der „Lefebvrianer“ entscheidet, dies berichte der Vatikanist Andrea Tornielli.
Rom prüft nun die Antwort, die nichts beantwortet
Eine „Überraschung“, so Tornielli, ist dabei, daß die Antwort nicht antwortet. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine der drei möglichen Antworten, die sich die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei erwartet hatte (positiv, negativ oder den Wunsch nach Klärungen und Änderungen der Präambel in präzisen Punkten). Die eingegangene Antwort wird nun von der Päpstlichen Kommission unter dem Vorsitz von Kardinal Levada und derem Sekretär, Msgr. Guido Pozzo, geprüft.
Papst Benedikt XVI. bemüht sich seit Beginn seines Pontifikats zur Überwindung des 1988 vollzogenen Bruchs zwischen der von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. und dem Heiligen Stuhl. Er empfing den Generaloberen Fellay im Sommer 2005 zu einem persönlichen Gespräch, erklärte Anfang 2009 das Exkommunikationsdekret für die vier 1988 ohne Zustimmung des Papstes und daher unrechtmäßig geweihten Bischöfe der Bruderschaft für aufgehoben und leitete Lehrgespräche zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bruderschaft zur Klärung der doktrinellen Positionen ein.
Die noch offene Frage des kanonischen Status der Bruderschaft in der Kirche sollte als letzter Schritt den Bruch überwinden. Sie hängt unmittelbar mit der „Doktrinellen Präambel“ zusammen.
„Professio Fidei“ für Piusbruderschaft inakzeptabel?
Die bisher nicht veröffentlichte „Doktrinelle Präambel“ wurde der Priesterbruderschaft nicht unter der Maxime „nimm oder stirb“ übergeben. Der Heilige Stuhl teilte gleichzeitig mit, daß die Priesterbruderschaft die Möglichkeit habe, Änderungen in der Formulierung vorzuschlagen, vor allem um mögliche Unklarheiten auszuschließen. In der Substanz sollte die Präambel jedoch unverändert bleiben, da sie eine „professio fidei“ darstellt, die von jedem Katholiken eingefordert wird, der ein kirchliches Amt bekleiden will. Zudem fordert der Heilige Stuhl von der Bruderschasft die Anerkennung, daß dem Papst in Fragen der Glaubenslehre das letzte Wort zusteht.
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. soll, bei Annahme der Präambel, innerhalb der Kirche kanonisch den Status eines Personalordinariats erhalten.
Konflikt in der Bruderschaft größer als erwartet
Msgr. Fellay, der sich wie die ganze Bruderschaft strikt an die Vereinbarung hielt und den (provisorischen) Text der Präambel nicht veröffentlichte, sprach bei zwei Anlässen, in einem Interview und in einer Predigt von den Schwierigkeiten der „Lefebvrianer“, die Präambel „in der derzeitigen Fassung“ anzunehmen. Im Vatikan sahen viele darin ein Zeichen für einen großen Konflikt innerhalb der Bruderschaft. Die ehrliche Versöhnungsbereitschaft des Generaloberen mit Rom wurde intern zum Teil scharf kritisiert. Einige Distriktobere, die eine Einigung mit Rom ablehnen, äußerten offenen Widerspruch.
Die Situation erklärt, daß seit der Übergabe der Präambel bereits drei Monate vergangen sind. Der Heilige Stuhl übte dabei keinerlei zeitlichen Druck aus. Nun ist eine Antwort in Rom eingelangt, allerdings nicht das, was sich Rom erwartet hatte. Die vatikanischen Quellen sprechen davon, daß statt einer Antwort eine „Dokumentation“ übergeben worden sei. Es scheint, daß Bischof Fellay mehr Zeit braucht. Er sah die Notwendigkeit, Rom nicht allzu lange warten zu lassen, wollte aber angesichts der internen Meinungsverschiedenheiten eine Festlegung in der einen oder anderen Richtung vermeiden.
Nach dem erwähnten Interview und der Predigt Msgr. Fellays, in der er Bedenken zur „derzeitigen Fassung“ der Präambel äußerte, hatte man sich in Rom einen Vorschlag, auch einen Katalog an Änderungsvorschlägen erwartet. So hatte es der Generalobere auch angekündigt. Die internen Spannungen in der Bruderschaft scheinen aber so groß zu sein, daß man sich nicht einmal darauf einigen konnte, jedenfalls noch nicht.
Putschgerüchte gegen Generaloberen Fellay?
Die Newsletter der Sedisvakantisten-Seite Virgo-Maria.org, einer allerdings wenig zuverlässigen Quelle, schrieb offen, daß ein Putsch in der Priesterbruderschaft gegen Msgr. Fellay nicht ausgeschlossen sei. Eine solche „Absetzung“ des Generaloberen sei von manchen Kreisen noch vor dem für Juli 2012 vorgesehenen Generalkapitels beabsichtigt. Das Generalkapitel hat die Aufgabe, die Führungsspitze der Bruderschaft für die kommenden Jahre zu wählen.
Tatsache ist, daß es innerhalb der Priesterbruderschaft sedisvakantistische Kreise gibt, die eine Einigung mit Rom ablehnen. Bischof Fellay selbst warnte seinen Mitbruder Msgr. Richard Williamson, sich von diesen vor allem im angelsächsischen Teil der Bruderschaft beheimateten Kreise nicht mißbrauchen zu lassen.
Antirömischer Widerstand in Frankreich stark
Daß ein Teil der Bruderschaft es sich in der Trennung von Rom eingerichtet hatte und trotz anderslautender Bekundungen, gar keine Einigung will, wurde spätestens jetzt offenbar. Bischof Fellay scheint vom Ausmaß der Widerstände selbst überrascht worden zu sein. Vor allem in Frankreich regt sich unerwarteter antirömischer Widerstand.
Nun hängt es davon ab, wie Rom auf die „Nicht-Antwort“ reagieren wird. Ob man Bischof Fellay in seinem Ringen einerseits mit Rom auf der Grundlage einer klar formulierten Professio Fidei zu einer Einigung zu kommen, aber gleichzeitig die Einheit der Priesterbruderschaft möglichst bewahren zu können, helfen will. Papst Benedikt XVI. und die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei ließen sich bisher nicht von auch in Teilen der Kirche vorhandenen starken Widerständen gegen eine Einigung mit der „ultrakonservativen“ Bruderschaft beirren.
Welche Mehrheit braucht Fellay, um Spaltung der Bruderschaft zu verhindern?
Papst Benedikt will nicht nur die Wunde eines Schismas schließen. Er sieht in der Bruderschaft schon mittelfristig eine starke Truppe im Dienst der Kirche bei der Bewahrung und Weitergabe des Glaubens, der Liturgie und der kirchlichen Disziplin. Letzteres bis auf weiteres zumindest der Theorie nach. Ob seine Hoffnungen erfüllt werden, hängt derzeit weniger von Rom ab, sondern erstaunlicherweise von den Mehrheitsverhältnissen innerhalb der Piusbruderschaft. Eine solche scheint hinter ihrem Generaloberen zu stehen. Die Frage ist, welche Mehrheit Msgr. Fellay für ausreichend hält, um eine Spaltung der Bruderschaft zu verhindern.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider