„Christen sind in Europa ungestraft Intoleranz und Diskriminierung ausgesetzt“ – Der Generalsekretär der COMECE klagt an


(Brüs­sel) Mili­tan­te Grup­pen, die in Madrid die Jugend­li­chen des Welt­ju­gend­ta­ges angrif­fen, konn­ten des­halb so han­deln, wie sie han­del­ten, weil sie sich “vor der Poli­zei sicher“ fühl­ten. Sie han­del­ten aus der siche­ren Über­zeu­gung her­aus, daß Ver­bre­chen gegen Chri­sten „von den Regie­run­gen und der Poli­zei über­se­hen“ wer­den und sie daher „kei­ne Kon­se­quen­zen zu fürch­ten“ hatten.

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Die­sen schwer­wie­gen­den Vor­wurf erhebt Pater Piotr Mazur­kie­wicz, der Gene­ral­se­kre­tär der euro­päi­schen Bischofs­kon­fe­renz COMECE, der alle Bischofs­kon­fe­ren­zen der EU ange­hö­ren, in einem Inter­view mit Vati­can Insi­der. Die Reak­tio­nen von Innen­mi­ni­ste­ri­um, Behör­den und Sicher­heits­kräf­ten wäre sicher anders aus­ge­fal­len, „wenn es sich um Angrif­fe gegen ande­re Grup­pen oder Reli­gio­nen gehan­delt hät­te“, so die bit­te­re Ana­ly­se des habi­li­tier­ten Politikwissenschaftlers.

Pater Mazur­kie­wicz nahm in Rom an einem „Run­den Tisch“ zur Chri­sten­ver­fol­gung in Euro­pa teil, der von der OSZE orga­ni­siert wurde.

Wei­te­re Teil­neh­mer waren Msgr. Domi­ni­que Mam­ber­ti, der Außen­mi­ni­ster des Vati­kans, und der Außen­mi­ni­ster des Mos­kau­er Patri­ar­chats der Rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che. Neben der Ana­ly­se der aktu­el­len Situa­ti­on ging es bei dem Run­den Tisch dar­um, wel­che Schrit­te gegen die wach­sen­de Gewalt und Into­le­ranz gegen Chri­sten in Euro­pa gesetzt wer­den sol­len. Msgr. Mam­ber­ti ver­wies in sei­nem Vor­trag auf den Jah­res­be­richt der OSZE zum The­ma Reli­gi­ons­frei­heit, der „die wach­sen­de Into­le­ranz gegen Chri­sten ein­deu­tig beweise“.

Pater Mazur­kie­wicz, ist die Chri­stia­no­pho­bie in Euro­pa wirk­lich so schlimm? 

All­ge­mein bevor­zugt man in Euro­pa, von Into­le­ranz gegen Chri­sten und Dis­kri­mi­nie­rung von Chri­sten zu spre­chen. Die recht­li­che Gesamt­la­ge ist näm­lich ver­hält­nis­mä­ßig gut, wenn es auch in eini­gen Län­dern auch eini­ge recht­li­che Pro­ble­me gibt. So zum Bei­spiel in der Fra­ge der Sexu­al­erzie­hung und des Eltern­rechts in Spa­ni­en. Ein Fall, der vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te ver­han­delt wird. Ein ande­res Bei­spiel sind die katho­li­schen Adop­ti­ons­stel­len in Groß­bri­tan­ni­en. Die Situa­ti­on in Euro­pa kann natür­lich nicht mit jener etwa des Nahen Ostens ver­gli­chen werden.

Es geht aber nicht nur um die Rechtslage.

Eines der drin­gen­den Pro­ble­me hat mit der Dar­stel­lung der Chri­sten in den Medi­en zu tun. Das ist ein sehr aku­tes The­ma, weil sich die Fra­ge, wie die Chri­sten dar­ge­stellt wer­den auch auf die Schu­le, die Bücher usw. aus­wei­tet. Zudem wer­den nicht alle Angrif­fe und Ein­schüch­te­run­gen gegen Chri­sten aus­rei­chend ernst genom­men, wie das hin­ge­gen der Fall wäre, wenn es sich um ande­re Grup­pen oder Reli­gio­nen han­deln wür­de. Es ist ein Pro­blem der Sen­si­bi­li­tät. Wir müs­sen das Pro­blem­be­wußt­sein stär­ken und die ent­spre­chen­de Sen­si­bi­li­sie­rung von Justiz, Poli­zei usw. ver­bes­sern, auf daß man sofort imstan­de sind, die Art bestimm­ter Aktio­nen und Angrif­fe zu erken­nen und ange­mes­sen dar­auf zu reagieren.

Man­che wer­fen den euro­päi­schen Insti­tu­tio­nen vor, gegen­über dem Chri­sten­tum gleich­gül­tig, wenn nicht sogar feind­lich geson­nen zu sein. Pflich­ten Sie dem bei?

Es hängt von der jewei­li­gen euro­päi­schen Insti­tu­ti­on ab, mit der wir es zu tun haben. Im Euro­päi­schen Par­la­ment zum Bei­spiel gibt es eine Viel­zahl von Strö­mun­gen. Es gibt aggres­si­ve anti­christ­li­che Lai­zi­sten aber eben­so christ­li­che Poli­ti­ker, die in der Fra­ge der Into­le­ranz gegen Chri­sten sehr auf­merk­sam reagie­ren. Eini­ge Abge­ord­ne­te rich­te­ten dazu Anfra­gen an die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on, doch lei­der lau­te­te die Ant­wort bis­her immer nur, daß die­ses The­ma in die Zustän­dig­keit der ein­zel­nen Mit­glieds­staa­ten fal­le und die Kom­mis­si­on daher nicht tätig wer­den könne.

Wir müs­sen aber auch fest­hal­ten, daß die Gene­ral­di­rek­ti­on für Justiz, Grund­rech­te und Bür­ger­schaft [der­zeit von der Justiz­kom­mis­sa­rin, der Luxem­bur­ge­rin Vivia­ne Reding, Christ­lich Sozia­le Volks­par­tei gelei­tet, Anm. katho​li​sches​.info] und die Agen­tur der Euro­päi­schen Uni­on für Grund­rech­te (FRA) [mit Sitz in Wien, aus der Euro­päi­schen Stel­le zur Beob­ach­tung von Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit her­vor­ge­gan­gen und vom Dänen Mor­ten Kja­er­um gelei­tet, Anm. katho​li​sches​.info], zwei Ein­rich­tun­gen der Euro­päi­schen Uni­on, nichts gegen die Ver­stö­ße und die Ein­schrän­kun­gen der Reli­gi­ons­frei­heit bei Chri­sten unternehmen.

Man­che befürch­ten, daß eine zu weit­ge­faß­te Defi­ni­ti­on von „Auf­wie­ge­lung zum Haß“ bzw. „Haß­re­den“ (hate speech) zu einer Ein­schrän­kung der Rede­frei­heit führt. Wie erhält man das Gleichgewicht?

Der Begriff Gleich­ge­wicht ist hier anzu­wen­den. Es gibt zwei ent­ge­gen­ge­setz­te For­men von Miß­brauch. Auf der einen Sei­te kann man beim Schutz eini­ger Grup­pen nicht soweit gehen, daß die Rede­frei­heit ein­ge­schränkt wird. Ande­rer­seits gibt es bereits eini­ge Grup­pen, die super­ge­schützt sind.

Zum Bei­spiel?

Im Zusam­men­hang mit der Into­le­ranz gegen Chri­sten kön­nen wir zum Bei­spiel an den jüng­sten Welt­ju­gend­tag in Madrid den­ken, bei dem die jun­gen Teil­neh­mer von eini­gen Grup­pen attackiert wur­den. Grup­pen, die sich vor der Poli­zei sicher füh­len aus der Gewiß­heit her­aus, straf­los zu blei­ben und daher tun und las­sen zu kön­nen, was sie wollen …

Sie sagen also, daß eini­ge Grup­pen, wenn sie Chri­sten angrei­fen, eine Art Straf­frei­heit genießen?

Eines der Pro­ble­me ist, daß die Ver­bre­chen – nicht nur Akte der Into­le­ranz – von den Regie­run­gen und der Poli­zei „über­se­hen“ wer­den und alle sehen, daß es kei­ner­lei Kon­se­quen­zen gibt. Der­glei­chen wäre wahr­schein­lich nicht der Fall, wenn es sich um Angrif­fe gegen ande­re Grup­pen oder Reli­gio­nen han­deln wür­de. Das ist eine Sei­te des Problems.

Und die andere?

Die ande­re Sei­te des Pro­blems ist, daß man nicht eini­ge Grup­pen der­ma­ßen schüt­zen kann, daß man sogar so weit geht, die Mei­nungs­frei­heit zu beschrän­ken. Die­ses Pro­blem berührt auch uns, denn die Moral­pre­digt ist Teil des Glau­bens. Das Chri­sten­tum ist kei­ne Pri­vat­an­ge­le­gen­heit. Wir müs­sen unse­ren Glau­ben im öffent­li­chen Raum zum Aus­druck brin­gen. Das heißt, daß Rede­frei­heit für uns Chri­sten bedeu­tet, unse­re ethi­schen Über­zeu­gun­gen öffent­lich sagen zu kön­nen. Eines der Pro­ble­me ist die Ein­schrän­kung die­ser Frei­heit, weil ande­re sich von den Moral­vor­stel­lun­gen der Chri­sten belei­digt füh­len könn­ten. Hier geht es nicht nur um recht­li­che Ein­schrän­kun­gen, son­dern um Ein­schüch­te­run­gen in Wort und Tat. Wer den Mut hat, öffent­lich sei­ne Über­zeu­gun­gen zu bekun­den, wird von den Medi­en und ande­ren ange­grif­fen. Das hat wei­ters zur Fol­ge, daß ande­re, ein­ge­schüch­tert, es ver­mei­den, sich in eine ähn­li­che Situa­ti­on zu bringen.

Nimmt die Into­le­ranz gegen Chri­sten zu?

Wir soll­ten nicht über­trei­ben, weil es Peri­oden der wirk­li­chen reli­giö­sen Ver­fol­gung gab, wie durch den Natio­nal­so­zia­lis­mus oder das Gesetz von 1905 in Frank­reich [zur Tren­nung von Kir­che und Staat, Anm. katho​li​sches​.info]. Heu­te gibt es Pro­ble­me und es ist unse­re Pflicht eine Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on zu suchen. Daß die­ses The­ma von inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen wie der OSZE behan­delt wird, zeigt, daß das Pro­blem­be­wußt­sein zunimmt und daß wir geeig­ne­te Instru­men­te fin­den wer­den, um dem Pro­blem zu begegnen.

Text: Vati­can Insider/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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