(Madrid/Rom) In Madrid knieten zwei Millionen Jugendliche vor dem ausgesetzten Allerheiligsten auf dem nassen Boden. Sie hielten gemeinsam mit dem Papst andächtige Anbetung. Hat die Welt dergleichen schon gesehen? Viele Jugendliche hatten Tränen in den Augen. Viele knieten das erste Mal vor dem allerheiligsten Sakrament des Altares. Sie taten es mit großem Ernst, mit Disziplin und in Stille. Das ist die Erziehungsarbeit Benedikts XVI., eines Hirten und Vaters, der den Beweis erbringt, daß auch Massenansammlungen in würdiger und angemessener Form stattfinden können und der Schritt für Schritt darauf hinarbeitet.
Kommunistische Weltfestspiele, westliche Leere und katholische Weltjugendtage
Seit die Weltjugendtage entstanden sind, wurde ihnen (überwiegend) viel Lob gezollt, aber (weniger) Kritik zuteil. Als Papst Johannes Paul II. 1985 die jungen Katholiken aus aller Welt zu einem gemeinsamen Treffen einlud, hatte er die großen kommunistischen Jugendveranstaltungen des Ostblocks vor Augen, vor allem die Weltfestspiele der Jugend und Studenten, die seit 1947 vom kommunistischen Weltbund der demokratischen Jugend ausgerichtet wurden. Aus Deutschland nahmen die DDR-Jugendorganisationen teil, aber ebenso aus dem Westen die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, der Sozialistische Jugendverband Karl Liebknecht, die Kommunistische Jugend Österreichs, die Schweizer Kommunistische Jugend, die Kommunistische Jugend Luxemburgs.
Die Kommunisten und ihre fortschrittlichen Apologeten im Westen hatten ihre mit dem Pathos einer totalitären Ideologie inszenierten Treffen. Der demokratische Westen konnte dem durch den ihm immanenten Relativismus zwangsläufig keine Idee mit wirklicher Mobilisierungskraft entgegensetzen. Es war nicht so sehr diese einseitige politische Gewichtung im Ringen um die Jugend, die den Papst bewegte, sondern der Wunsch, einen dritten, christlichen, katholischen Weg für die Jugend aufzuzeigen. Die Jugend für Christus gewinnen heißt, sie auch sich selbst ganz kennenlernen lassen, die menschliche Natur, den Sinn des menschlichen Daseins und die Bestimmung jedes einzelnen Menschen.
Die Mobilisierungskraft des Christentums ließ alle realsozialistischen Bemühungen schnell blaß aussehen. An den Weltjugendfestspielen 1985 in Warschau nahmen 26.000 „sozialistische“ Jugendliche teil (davon mehr als 2000 aus beiden Teilen Deutschlands). Der Einladung Papst Johannes Pauls II. am Palmsonntag des Jahre 1985 waren gut 350.000 junge Katholiken gefolgt. Bei dieser Gelegenheit gab er die Einrichtung der Weltjugendtage bekannt.
Die Idee Johannes Pauls II. ließ kommunistischen Jugendveranstaltungen blaß aussehen
Seit dem sowjetischen Zusammenbruch sind die Weltjugendtage konkurrenzlos. Es gab in der Geschichte nie etwas auch nur annähernd Vergleichbares. Die Weltjugendtage müßten nach allen Kriterien journalistischer Logik der totale mediale Ausnahmezustand sein. Wenn sie das nicht sind, sondern von vielen Medien (wie soeben erlebt) vielmehr relativiert, möglichst versteckt und minimiert werden, so hängt dies mit der von den Medien sich selbst auferlegten Zensur religiöser Themen zusammen. Werden aber Gottesdienst, Anbetung und Botschaft ausgeklammert, bleiben nur mehr Marginalien für die Berichterstattung übrig.
Die jungen Katholiken sind jedoch technisch bestens ausgerüstet und haben sich längst ihre eigenen Kommunikationswege erschlossen, um bleibende innere und äußere Eindrücke vom Weltjugendtag mit nach Hause zu nehmen und unter Ihresgleichen auszutauschen. Allerdings wurde mit der Berichterstattung über den WJT 2011 eine sich immer weiter auftuende Schwere zwischen Realität und veröffentlichter Meinung sichtbar.
Schrittweise erhält WJT Form – 1997 erstmals Kreuzweg
Eine innerkirchliche Kritik an den Weltjugendtagen richtete sich hingegen schon bald erstaunlicherweise ausgerechnet gegen den enormen Andrang, der 1995 mit mehr als vier Millionen Teilnehmern in Manila seinen bisherigen Höhepunkt erlebte. Die Größenordnung lasse eine würdige Zelebration der Liturgie nicht zu. Sie sei der Anbetung und dem Gebet abträglich. Die Kritik an den Weltjugendtagen reihte sich in die allgemein gegen die Papstmessen mit Massenansammlungen von Gläubigen ein, die zur zwangsläufigen Folge der von Johannes Paul II. in das Papsttum eingeführten neuen Mobilität des Pontifex wurden. Die „Massen“ liefen übrigens früher nicht minder zusammen als heute, wenn ein Papst bei einer Reise in einer Stadt Halt machte. Es genügt ein Blick in die Reiseberichte. Die Intensität des Phänomens ist allerdings neu.
WJT 2000 erste Möglichkeit zur Anbetung – WJT 2011 in 50 Madrider Kirchen Anbetung
Diese Neuheit führt zu ungeahnten neuen organisatorischen Herausforderungen, die durch die Erfahrung langsam ihre angemessene Form erlangen. Diese Weiterentwicklung erfolgt schrittweise. 1997 wurde zum ersten Mal ein Kreuzweg in das Programm eingefügt. Beim Weltjugendtag 2000, der im Heiligen Jahr in Rom stattfand, wollte Papst Johannes Paul II., daß in einigen Kirchen der Ewigen Stadt das Allerheiligste zur Anbetung ausgesetzt wird. Das Echo der Jugendlichen war enorm. 2011 fand während des WJT in 50 Madrider Kirchen Anbetung statt.
2005 erstmals Eucharistische Anbetung bei WJT-Gebetsvigil
Unter dem Pontifikat Benedikts XVI. wurde beim Weltjugendtag in Köln 2005 erstmals im Rahmen der Gebetsvigil eine Eucharistische Anbetung abgehalten. Ein ausgesprochen delikater Moment, weswegen es nicht an Stimmen fehlte, die Bedenken äußerten. In Madrid wurde nun zum dritten Mal Christus im Allerheiligsten angebetet. Der Papst zeigte in der Entwicklung von Köln bis Madrid, wie ernsthaft die Jugend sein kann, wenn man sie an die Inhalte heranführt und sie vorbereitet. So erlebte die Welt vor wenigen Tagen ein einzigartiges Ereignis: In einem Ozean von jungen Menschen mit einem unüberschaubaren Fahnenmeer, wo eben noch jugendliche Freude und Begeisterung brandeten, herrschte plötzlich andächtige Stille und zwei Millionen Jugendliche knieten mit dem Papst vor dem ausgesetzten Allerheiligsten nieder und beteten Christus den Herrn an. „Das hat die Welt noch nicht gesehen“, war mein erster staunenden Gedanken.
Der Papst will Kritikern und unkritischen Befürwortern zeigen, daß es nicht auf die Größenordnung ankommt, daß auch bei Massenansammlungen in würdiger und andächtiger Form die heilige Liturgie zelebriert werden kann, daß vielmehr entscheidend ist, die Gläubigen im richtigen Sinn zu führend und vorzubereiten. Er will zeigen, daß die Gläubigen bereitwillig die Notwendigkeit erkennen, daß das Heilige besondere Formen verlangt, daß es aber jemanden braucht, der sie unterweist. Seit den 70er Jahren meinte zu viele zu lange in der Kirche, die Gläubigen wüßten schon, wie sie sich zu verhalten hätten. Doch das Wissen schwand. Papst Benedikt XVI. „erzieht“ vor allem durch sein persönliches Vorbild und durch das Vorbild der päpstlichen Liturgie.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: flickr.com/Catholic Church