(Rom) Anfang 2012 steht für Papst Benedikt XVI. eine Entscheidung an, der unter den zahlreichen Personalfragen der Rang einer Schlüsselentscheidung zukommt. Es geht um die Position des Präfekten der Glaubenskongregation, dem für das Glaubensgut der Kirche wichtigsten Dikasterium der römischen Kurie. Um jene Aufgabe, die Benedikt XVI. selbst 24 Jahre bis zu seiner Wahl zum Papst innehatte.
Die Ernennung seines Nachfolgers für das Heilige Uffizium stellte daher gleich die erste gewichtige Personalentscheidung nach Antritt seines Pontifikats dar. Am 13. Mai 2005 entschied er sich, den Erzbischof von San Francisco, Msgr. William Joseph Levada, mit der Aufgabe zu betrauen. Der Amerikaner arbeitete bereits unter Kardinal Ratzinger an der Glaubenskongregation, wo ihn der spätere Papst kennen- und schätzen lernte.
Kardinal Levada vollendete am vergangenen 15. Juni sein 75. Lebensjahr und damit da sim Kirchenrecht vorgesehen Alter, den Rücktritt anzubieten. Wie auch für andere Dikasterien üblich, wäre eine Verlängerung des Mandats selbstverständlich. Der Kardinal habe den Papst aber wissen lassen, daß er seine Aufgabe nur mehr bis Jahresende fortsetzen wolle, bis zum 20. Dezember 2011, an dem er sein 50. Priesterjubiläum begehen wird. Dem Wunsch des Papstes, weiterhin im Amt bleiben zu sollen, könnte er sich allerdings kaum entziehen.
Die Nachfolgefrage ist von herausragender Bedeutung, die in den vergangenen Jahren noch zunahm durch die delikate Frage der sexuellen Mißbrauchsfälle. Durch die jüngste von Papst Benedikt XVI. 2009 gewollte Reform ist die Glaubenskongregation auch für die Beziehungen zur Priesterbruderschaft St. Pius X. zuständig und arbeitet maßgeblich an der Überwindung der Spaltung. Ebenso fallen die Anglikaner, die in die Einheit mit Rom zurückkehren wollen, in den Zuständigkeitsbereich des Heiligen Uffiziums.
Die Arbeit Kardinal Levadas war in diesen Jahren nicht immer leicht. Die Kongregation war nach einem Vierteljahrhundert unter der Leitung Kardinal Ratzingers, an eine bestimmte Arbeitsweise und bestimmte Rhythmen gewohnt, die die jeweiligen Zuständigkeiten respektieren und vor allem auf Kollegialität achteten. Es ist kein Geheimnis, daß Kardinal Levada am Anfang seiner Amtszeit Verständigungsschwierigkeiten mit dem Sekretär der Kongregation, Msgr. Angelo Amato hatte, bis dieser an die Spitze der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse berufen wurde. Trotz seiner zahlreichen Aufgaben und Verpflichtungen schenkt Papst Benedikt XVI. nach wie vor der Glaubenskongregation eine ganz besondere Aufmerksamkeit.
Der aus Long Beach bei Los Angeles stammenden Kardinal Levada könnte nach seinem Rücktritt das Amt eines Großmeisters des Ordens der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem übernehmen, das mit Kardinal John Patrick Foley bis zum Februar 2011 ein anderer amerikanischer Purpurträger innehatte. Seither ist das Großmeisteramt vakant.
Wer könnte der neue Glaubenswächter der katholischen Orthodoxie werden? Ein starker Kandidat wäre Kardinal Angelo Amato, dem die Kongregation bestens vertraut ist, der er als Sekretär an führender Stelle diente, und der dem Papst bestens vertraut ist. Kardinal Amato würden allerdings nur anderthalb Jahre verbleiben, bis auch er 75 wird. Überhaupt ist die Gruppe italienischer „Minister“ an der römischen Kurie in jüngster Zeit stark angewachsen. Es scheint daher unwahrscheinlich, daß auch die wichtige Glaubenskongregation einem Italiener anvertraut wird.
Ein in Gesprächen immer wieder auftauchender Name ist jener des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller, der vom Papst geschätzt wird. Msgr Müller wird im Dezember 64. Seit 2002 steht er an der Spitze der bayerischen Diözese, in der auch der Bruder des Papstes, Msgr. Georg Ratzinger lebt. Bei Bischof Müller hielt Benedikt XVI. am 12. September 2006 seine historische „Regensburger Rede“ über den westlichen Relativismus und das Verhältnis zum Islam.
Als weiterer, wenn auch weniger wahrscheinlicher Kandidat, gilt der Franzose Msgr. Roland Minnerath, Bischof von Dijon und Mitglied der Internationalen Theologenkommission.
Genannt werden schließlich noch der derzeitige Sekretär der Glaubenskongregation, der spanische Jesuit, Kurienerzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer und der amtierende Sekretär der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, der amerikanische Dominikaner, Kurienerzbischof Joseph Augustine Di Noia, deren Chancen jedoch gering eingeschätzt werden.
Aufgabe der Kongregation für die Glaubenslehre, die unter allen Dikasterien rangmäßig einen Primat einnimmt, ist es die Rechtgläubigkeit des katholischen Glaubens zu bewahren und diese zu fördern. 2012 soll ganz im Zeichen des Katechismus der katholischen Kirche stehen. Auf den neuen Präfekten der Kongregation warten zahlreiche Aufgaben.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider