(Vatikan) Für den 14. September 2011 wurde Msgr. Bernard Fellay, der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X., in den Vatikan eingeladen. Es handelt sich um das erste Treffen mit der Kirchenführung seit Aufnahme der Expertengespräche im Oktober 2009 zwischen der römischen Kurie und der von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründeten Piusbruderschaft.
Kurz vor dem Beginn der Expertengespräche wurde die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei, die für die Gemeinschaften der Tradition zuständig ist, von Papst Benedikt XVI. der Glaubenskongregation unterstellt und der Leitung von Msgr. Guido Pozzo als Kommissionssekretär anvertraut.
Seit dem Herbst 2009 trafen die Delegationen beider Seiten zu mehreren Gesprächen zusammen, bei denen alle lehramtlichen Fragen behandelt, die von den Lefebvrianern als problematisch betrachtet werden. Die Piusbruderschaft vertritt den Standpunkt, daß vom Zweiten Vatikanischen Konzil in einigen Punkten ein Bruch mit der kirchlichen Tradition vollzogen wurde.
Im Frühjahr waren die Gespräche abgeschlossen worden. Am 14. September dürfte der Vatikan Msgr. Fellay eine zusammenfassende gemeinsame Erklärung unterbreiten, die alle aufgeworfenen lehramtlichen Fragen im Licht einer Hermeneutik der Kontinuität in der Erneuerung klärt. Eine Lesart des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Papst Benedikt XVI. bereits im Dezember 2005 in einer Ansprache an die römische Kurie darlegte, die – so der Papst – eine authentischere Interpretation der Konzilstexte ermöglicht.
An erster Stelle des Treffens, das am 14. September im Vatikan stattfindet, stehen doktrinale Fragen. An zweiter Stelle geht es auch um die kanonische Zukunft der Piusbruderschaft. Trotz der wohlwollenden Geste Benedikts XVI., mit der im Januar 2009 die Exkommunikation der vier Bischöfe der Bruderschaft für hinfällig erklärt wurde, befinden sich die Bischöfe und Priester der Bruderschaft in einem kirchenrechtlich nicht geregelten Status.
Der vom Heiligen Stuhl erarbeitete Vorschlag sieht die kanonische Legitimierung der Piusbruderschaft vor. Konkret denkt der Papst daran, der Bruderschaft ein Personalordinariat anzubieten, wie er es für die Anglikaner errichtete, die in die Einheit mit der Kirche zurückkehren wollen. Damit würde die Priesterbruderschaft St. Pius X. dem Heiligen Stuhl unterstehen, konkret der Kommission Ecclesia Dei, aber nicht den Diözesanbischöfen und könnte damit ihre spezifische Charakteristik bewahren.
Das Treffen vom 14. September 2011 stellt damit einen weiteren Schritt auf dem steinigen Weg im Verhältnis zwischen Rom und Econe dar, der zuletzt allerdings gehfreundlicher wurde. Das Ergebnis des Treffens läßt sich noch nicht abschätzen. Innerhalb der Piusbruderschaft gibt es Richtungen mit unterschiedlicher Sensibilität. Ein Teil betrachtet es als schwierig, mit Rom zu einer Einigung zu gelangen.
Papst Benedikt XVI., dem es ein Anliegen ist, das lefebvrianische “Schisma“ zu beenden, machte den Weg frei zur Begegnung am 14. September, die entscheidend sein könnte. Bereits am 29. August 2005, nur wenige Monate nach seiner Wahl, empfing er Msgr. Fellay in seiner Sommerresidenz Castelgandolfo. Im Juli 2007 führte er den Alten Ritus als außerordentliche Form des römischen Ritus in die Kirche zurück und verschaffte ihm inzwischen neben seiner Gleichwertigkeit auch weitgehende kirchenrechtliche Gleichberechtigung. Im Januar 2009 annullierte er die Exkommunikation der vier 1988 von Erzbischof Lefebvre gegen den Willen Roms geweihten Bischöfe. Nur wenige Monate später liefen die Vorbereitungen für die lehramtlichen Expertengespräche an.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: Sacri Palazzi