Nach einer ersten Lektüre der Instruktion Universae Ecclesiae scheint deren Hauptziel und Sinn offensichtlich und klar. Es handelt sich um Anweisungen zugunsten einer noch weiteren Verbreitung des alten Ritus, die darauf abzielen, die Hürden und Hindernisse zu beseitigen, die durch eine falsche und teils auch unfreundliche, ja manchmal sogar feindselige Lesart des Motu proprio Summorum Pontificum entstanden sind.
Ebenso klar ist die Absicht Papst Benedikts XVI., von Pater Lombardi, dem Leiter des vatikanischen Presseamtes bei der Vorstellung unterstrichen, den Gegensatz zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Form zu überwinden.
So erklärte der Heilige Vater vor wenigen Tagen am 6. Mai vor dem 9. Internationalen Liturgiekongreß, daß es sein Ziel sei, die beiden Formen zu „versöhnen“, weil dies ein wichtiger Schritt für die Versöhnung der Kirche sei.
Darauf zielt erstens die Betonung ab, daß es nur „einen“ römischen Ritus gib und zielt zweitens der Folgeschritt ab, der die ordentliche und außerordentliche Form substantiell völlig gleichstellt. Nach dem Willen des Papstes gibt es letztlich keine wirkliche „liturgische Hierarchie“ mehr zwischen den beiden Formen, keine Vorrang mehr für die eine, keine Nachreihung mehr für die andere. Die Richtung dahin ist jedenfalls deutlich vorgegeben. Eine enorme Entwicklung, bedenkt man, daß der Ritus bis 1988 gänzlich und bis 2007 noch zum größten Teil verfemt und marginalisiert, teils sogar in eine sektierische Nähe gerückt war.
2007 folgte die Rückholung mit der Formel von der ordentlichen und der außerordentlichen Form. Die Instruktionen gehen noch weiter und heben zwar nicht alle Grenzen in seiner Anwendung auf, schaffen aber die völlige Gleichwertigkeit. Niemand kann mehr behaupten, die alte Form sei nur geduldet oder ein „historisches“ Anhängsel des neuen Form. Der sogenannte „tridentinische“ Ritus ist unauslöschbar in den Schoß der Kirche zurückgekehrt. Um so irrationaler erscheinen rückblickend die Jahrzehnte seiner Verdrängung. Dies zu betonen, liegt dem Papst fern, da er die liturgischen Schritte „zur Versöhnung“ und nicht zur Spaltung setzt.
„Nicht selten setzt man in übler Absicht Tradition und Fortschritt gegeneinander. In Wirklichkeit ergänzen sich die beiden Konzepte: Die Tradition ist eine lebendige Realität, deshalb enthält sie auch das Element der Weiterentwicklung, des Fortschritts. Anders ausgedrückt führt der Traditionsfluß auch seine Quelle in sich und strebt der Mündung zu.“ Die Tradition, das zeichnet sie aus, ist konstitutiv mit ihrer Quelle verbunden. Sie ist aber nicht statisch und war es auch zu keiner Zeit, sondern fließt ihrem Ziel zu. Der Papst fordert daher wörtlich: „vollkommene Treue zur reichen und kostbaren liturgischen Tradition und der vom Zweiten Vatikanischen Konzil geforderten Reform, nach den Grundsätzen von Sacrosanctum Concilium und den Aussagen des Lehramts“.
Die Instruktionen stellen weitere Schritte dar, die wiederum so angelegt sind, daß die Erneuerung der Liturgie damit nicht abgeschlossen ist. Die Priesterseminare werden aufgefordert, die Seminaristen und damit künftigen Priester auch im alten Ritus auszubilden. Das bedeutet auf dem Papier die Grundsteinlegung zu einer tatsächlich „birituellen“ Kirche. Wenngleich der Begriff im Sinne des Papstes nicht präzise ist. Es bedeutet in Wirklichkeit, daß die Kirche der Zukunft wesentlich eine Kirche der liturgischen Kontinuität im Ritus aller Zeiten sein wird. Die Bischöfe sind nicht durch Sanktionen gezwungen, dieser Aufforderung zu folgen. Die Instruktionen schaffen aber den Rahmen, in dem alle Bischöfe guten Willens im Gehorsam der Aufforderung des Papstes folgen können und das wird sicher die Mehrheit tun. Die (letzten) Widerstände auch von Bischöfen aus dem deutschen Sprachraum erweisen sich mehr und mehr als das störrische Warten auf den richtigen Zug am falschen Bahnhof.
Man kann also mit Fug und Recht sagen, daß Benedikt XVI. die Kirche umbaut. Er tut es auf die ihm ureigenste Art und Weise der Überzeugungsarbeit und der Kontinuität, die in liturgischen Dingen jeden Bruch und jeden schroffen oder auch nur übergroßen Schritt ablehnt. Der einschränkende Umstand, daß Diözesen nicht (ohne Sondererlaubnis) im alten Ritus weihen dürfen, weist darauf hin, daß weitere Schritte folgen werden. So wie die birituelle Ausbildung an sich schon eine neue Eigendynamik auslösen wird, wie ja auch das Motu proprio eine Eigendynamik zur Folge hatte.
Universae Ecclesiae entspricht wohl dem, was Wohlmeinende sich erwartet und erhofft haben. Es wird auch weiterhin Bremser geben. Es wird auch jene geben, denen jeder Schritt „zu wenig weit“ geht. Allerdings ist der Spielraum der Bremser wie der Kritiker weiter eingeschränkt worden und mit der Erhöhung der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei zur entscheidungsbefugten Berufungsinstanz wurde eine veritable Durchsetzungsbehörde geschaffen.
Tatsache ist, daß Papst Benedikt XVI. die Kirche „neu“ baut, in dem er in einer Art Bogen wieder auf die gerade Linie bringt, was aus der Spur geraten ist. Es ist keine Rückkehr, weil es in der Geschichte nie eine Rückkehr gibt (der Traditionsfluß fließt). Es ist in Bogenform das Wiedereinschwenken auf den eigentlichen Weg, den Weg der Kontinuität.