(Rom) In den Tagen rund um die Seligsprechung von Johannes Paul II. gab der Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone zwei Interviews: eines Bruno Vespa für die Sendung Porta a Porta der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt RAI 1, das andere Antonio Preziosi der Nachrichtenredaktion des staatlichen italienischen Hörfunks Radio 1. In beiden Interviews ging es auch um Fatima und das berühmte dritte Geheimnis.
Johannes Paul II. habe Bertone gesagt: „Es besteht ein großer Wunsch, den dritten Teil des Geheimnisses, der uns handschriftlich von Schwester Lucia vorliegt, zu veröffentlich. Es wäre aber mein Wunsch, wenn Schwester Lucia zur Echtheit des Textes, wie wir ihn im Vatikan haben, befragt würde, und, wenn möglich, auch zu dessen Interpretation, denn ich beabsichtige diesen Text als ein Ereignis zu interpretieren, das mich persönlich durch das Attentat betroffen hat. Auch wenn der Papst dabei nicht ums Leben kam.“ So der Kardinal zu Bruno Vespa.
Kardinal Bertone, der damals Sekretär der Glaubenskongregation war und damit, wie auch heute, der wichtigste Mitarbeiter Josephs Ratzingers, reiste darauf zu Schwester Lucia. „Schwester Lucia sagte mir, daß auch sie, als sie vom Attentat auf den Papst hörte, dachte, daß es sich um das im Geheimnis vorhergesagte Ereignis handle.“
Bis heute gibt es allerdings keine offizielle Interpretation des Dritten Geheimnisses durch die Kirche. Dies wurde im Jahr 2000 bei der Veröffentlichung des Geheimnisses durch Kardinal Ratzinger und Kardinal Sodano ausdrücklich festgehalten, auch wenn Papst Johannes Paul II. im weißgekleideten Bischof, der getötet wurde, sich selbst erkannte, und Schwester Lucia auf Nachfrage des Papstes, Kardinal Bertone gegenüber diese Auslegung bestätigte.
Im Interview für Radio 1 sagte Kardinal Bertone: “Das Dritte Geheimnis von Fatima hat sich zum Teil in der Beschreibung erfüllt, die Schwester Lucia gab. Doch wie damals Kardinal Ratzinger erklärte, wird das Unbefleckte Herz Marias siegen. Es gilt die Hoffnung zu pflegen und nicht ängstlich oder panisch zu sein.“
Die Worte des Kardinalstaatssekretärs befinden sich in Einklang mit dem, was Papst Benedikt XVI. vor einem Jahr bereits auf dem Flug nach Portugal sagte und dann in Predigt, der von ihm in Fatima zelebrierten Heiligen Messe wiederholte. Im Gegensatz zum Jahr 2000, als eine lediglich in die Vergangenheit verweisende Lesart gegeben wurde, herrscht größere Zurückhaltung, oder wie Kardinal Bertone sich ausdrückte: Das Dritte Geheimnis von Fatima ist erst „zum Teil erfüllt“. Papst Benedikt XVI. legt das Dritte Geheimnis nicht selber aus, schränkt es jedoch nicht auf die Lesart seines Vorgängers ein.
(Sacri Palazzi/Giuseppe Nardi, Bild: Sacri Palazzi)