Don Nicola Bux, ein enger Mitarbeiter Papst Benedikts XVI. in liturgischen Fragen, gab der Tageszeitung von Reggio Emilia, der Gazzetta di Reggio, ein Interview. Nach einer mehrjährigen Renovierung der Kathedrale von Reggio Emilia herrscht Unruhe unter den Gläubigen wegen „liturgischer Anpassungen“. Die Antworten des Beraters des päpstlichen Zeremonienmeisters haben zwar die Kathedrale von Reggio Emilia zum Anlaß, sind jedoch von allgemeiner Gültigkeit. Don Bux, der auch Konsultor der Glaubenskongregation und der Heiligsprechungskongregation ist, spricht mehrere Ermahnungen aus, eine davon lautet: „Die Kirchen müssen ein Ort des Kultes sein und kein Auditorium“. Don Bux erinnert daran, daß das Knien zu bestimmen Momenten in der Liturgie vorgeschrieben ist und damit nicht der beliebigen Entscheidung der Gläubigen unterliegt. Wer die Gläubigen vom Knien abhält, indem in Kirchen Kniebänke entfernt oder keine aufgestellt werden, laufe Gefahr, aus der Kirche einen beliebigen Versammlungssaal zu machen. Denn gerade das Knien unterscheide die Kirche prinzipiell von jedem anderen Saal. Denn überall steht und sitzt man, doch nur in der Kirche kniet man.
Ein zentraler Punkt seiner Ausführung ist die liturgische Gebetsrichtung ad orientem. Dies sei die wirkliche, der Liturgie angemessene Zelebrationsrichtung. Die Ausrichtung von Priestern und Gläubigen Richtung Osten. So stehe es letztlich auch heute im Missale Pauls VI. Die Zelebration zum Volk hin sei nur eine Möglichkeit, die allerdings immer und gemeinsam auf Christus ausgerichtet sein müsse. Deshalb sollte, wo zum Volk hin zelebriert werde, zumindest ein Kreuz auf dem Altar stehen, damit der Blick sowohl des Priesters als auch des Volkes auf Christus gerichtet sei.
Don Bux mahnt des weiteren zum Respekt vor den in früheren Jahrhunderten von den Gläubigen oft unter großen Opfern gestifteten Kirchengeräten und Paramenten, wenn sie der Ehre Gottes dienen.
2009 sagte Don Nicola Bux in einem Interview: „Ein ungehorsamer Bischof ist wie ein vom Körper abgetrenntes Glied und ist den Gläubigen zum Anstoß.“
Was bedeutet „liturgische Anpassung“?
Der Ausdruck wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt, um jene Veränderungen zu benennen, die für notwendig erachtet wurden, damit die alten Kirchen geeigneter wurden für die Zelebration in der erneuerten Form des römischen Ritus.
Mit welchen Ergebnissen?
Die Anpassung begann mit der Absicht, jene Verbesserungen umzusetzen, die die Zelebration der Sakramente begünstigen sollten. In Wirklichkeit wurde vor allem der Volksaltar eingeführt. Ein Mißbrauch der Anpassung.
Warum?
Weil das Missale an keiner Stelle sagt, daß der Zelebrant nicht mit dem Rücken zum Volk stehen soll. Das wird dadurch eindeutig, daß an gut drei Stellen, gleich nach dem Offertorium, im Ecce Agnus Dei und beim Schlußsegen ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß der Priester sich dem Volk zuwendet. Daraus folgt, daß die Zelebrationsrichtung eine andere sein muß.
Also mit dem Rücken zum Volk?
Eigentlich nicht. Das ist eine schlechte Interpretation des Missale Pauls VI. und eine Verbiegung, die ja dazu führte, daß man meinte, es sei ungezogen, dem Volk den Rücken zuzukehren. Als würde man sagen: „Entschuldigt den Rücken.“
Das heißt?
Das heißt, es geht bei der Zelebrationsrichtung um die Ausrichtung zum wiederkommenden Herrn. Deshalb hat uns die Tradition die Zelebration mit dem Priester und den Gläubigen überliefert, die sich beide gemeinsam ad orientem ausrichten, gemeinsam Richtung Osten schauen. Der Osten ist Symbol für den Herrn, der kommt. An zweiter Stelle gilt dies auch für das Kreuz, das diese Wiederkehr symbolisiert. Sich zum Volk hin wenden, war also eine Möglichkeit.
Hauptkritikpunkt ist also, daß sich der Priester nicht in Gemeinschaft mit den Gläubigen befindet.
Genau, Benedikt XVI. beharrte bereits als Kardinal darauf: Wenn das Volk und mit ihm der Priester sich auf das Kreuz hin ausrichten, richten alle den Blick auf Christus, das genau ist der zentrale Aspekt der Liturgie.
Mit dem Priester an der Spitze des Volkes schließt sich der Kreis der Begegnung mit Christus.
Wie läßt sich die Sache lösen?
Wie der Heilige Vater richtig vorgeschlagen hat, wäre es angebracht, daß man bei Beibehaltung der Ausrichtung ein Kreuz auf dem Altar aufstellt, so daß alle den zentralen Aspekt der Liturgie vor Augen haben: Christus, der wiederkommt. Es wäre gut, wenn die Priester erklären würden, daß ihre Ausrichtung funktional mit der Zelebrationsrichtung zusammenhängt.
Welche anderen Themen werden sie morgen behandeln?
Das Treffen kommt auf Wunsch vieler Gläubiger zustande, die besorgt sind, daß die sogenannte Anpassung nicht in Konflikt gerät mit dem Respekt vor der Tradition. Im konkreten Fall der Kathedrale von Reggio Emilia will man die Argumente zur Verfügung stellen, um zu verstehen, daß das Volk sich der Liturgie anpassen muß und nicht umgekehrt.
Ein umstrittener Punkt ist in Reggio der Bischofsstuhl, der vom Presbyterium hinunter vor die Versammlung versetzt wurde.
Die Kathedra ist nicht das wichtigste Element an einem heiligen Ort. An erster Stelle kommen der Altar, das Kreuz und der Tabernakel, die die ständige Anwesenheit Gottes inmitten seines Volkes anzeigen. An Bedeutung folgt nach dem Ambo, den man eine Zeit Kanzel oder Pergamon nannte, und der die Funktion hatte, sich aus akustischen Gründen inmitten der Versammlung zu befinden, der Sitz des zelebrierenden Priesters.
Wo gehört der Priestersitz hin?
In den ersten syrischen Kirchen, die Nachfolger der Synagogen waren, befand sich der Priestersitz an der Spitze der Versammlung, so wie man heute im Theater den Hauptsessel für die ranghöchste Autorität reserviert. Doch schon bald wurde der Sitz des Zelebranten entweder links oder rechts an der Spitze der Versammlung in der Position eines Verbindungsgliedes zwischen Versammlung und Altar aufgestellt.
Welches ist also ideale Position?
An der Spitze der Stufen, über die man das Presbyterium erreicht, wie es noch heute bei den orientalischen Christen üblich ist, die den Sitz des Patriarchen an die Spitze der Versammlung setzen, aber nicht zentral. Zudem ist es gut, wenn die Plätze der Gläubigen nicht quer oder diagonal stehen, sondern alle gemeinsam in eine einzige Richtung schauen.
Auf das Presbyterium und nicht irgendwohin im Kirchenschiff?
Der Ort der Priester und des Bischofs ist das Presbyterium, wie bereits der Name sagt. Der Umstand, daß der Stuhl unten aufgestellt ist, verwirrt die Ideen.
Man könnte einwerfen, daß auch der Bischof Teil des Gottesvolkes ist.
Das stimmt, doch auch die Überlieferung hat ihr Gewicht. Man sollte in keinen Populismus verfallen. Das Zusammensein mit den Gläubigen hängt nicht von der Positionierung des Bischofs- oder Priestersitzes ab.
Wie schwer wiegt in dieser Debatte der Vorwurf eines übertriebenen Formalismus?
Eine Sache ist die Form, eine andere der Formalismus. Ohne eine Form würde die Liturgie nicht existieren und die Substanz wäre deformiert. Das Gerede vom Formalismus ist doch etwas ideologisch und verkürzend. Neuerdings ist es üblich, von liturgischen Gegensätzen zu sprechen. Im römischen Ritus muß sich aber die Einheit durchsetzen.
Ein anderes heißes Thema ist das Fehlen der Kniebänke.
Eine andere Absonderlichkeit, die man zuweilen beobachtet. Die Liturgie schreibt vor, daß man sich in bestimmten Momenten der Messe niederkniet. Die Gläubigen nicht dazu anzuhalten, sich niederzuknien, schafft die Gefahr, daß die Kirche zu einem Auditorium oder die Liturgie zur Unterhaltung reduziert wird.
Der Papst erinnert uns hingegen daran, daß die Liturgie Anbetung ist und das sichtbarste äußere Zeichen dafür ist gerade, sich niederzuknien.
Wieviel zählt in den Kirchen die Konservierung alter Kunstwerke und die Einfügung neuer moderner?
Es braucht immer Geschmack in den Dingen. Seltsamerweise neigt man heute dazu, alle Kostbarkeiten zu musealisieren. Ins Museum gehören aber die Dinge, für die es keine Verwendung mehr gibt. In vielen Fällen sind die Kirchengeräte Ausdruck der Volksfrömmigkeit und meist großer Opfer, die gebracht wurden, um sie anzuschaffen. Dies gilt für alle Gegenstände, die nicht unserem persönlichen Ruhm dienen, sondern der höheren Ehre Gottes. Dasselbe gilt für die Paramente. Priester verwenden sie nach eigenem Gutdünken, Geschmack und Bequemlichkeit, als handle es sich um ein privates Kleidungsstück. In Wirklichkeit sind sie objektiver Ausdruck des Ritus, der dem Priester, selbst dem unwürdigen, anvertraut wird.
Giuseppe Nardi, Bild: Ecclesia Mater