Der päpstliche Nuntius in Argentinien hielt vor wenigen Tagen zum Fest der Kathedra Petri eine denkwürdige Predigt. Unter anderem sagte er: „Der Papst fühlt sich von den Bischöfen und den Priestern im Stich gelassen, doch von den Gläubigen getragen.“ Katholisches – Das Magazin für Kirche und Kultur dokumentiert die Homelie in deutscher Übersetzung.
Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et portae inferi non praevalebunt adversum eam.
„Du bist Petrus und auf diesem Felsen will Ich meine Kirche errichten und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ (Mt. 16.18)
Der Text des Evangelisten Matthäus enthält zwei zentrale Elemente:
– Den Primat des Petrus und seiner Nachfolger in der Kirche, die Christus gegründet hat, also des Heiligen Vaters;
– Jesu Beistand für Seine Kirche gegen die Kräfte des Bösen.
Den ersten, so grundlegenden Punkt für die Kirche setzen wir als selbstverständlich voraus, denn ohne den Primat des Petrus und die Gemeinschaft mit ihm gibt es keine katholische Kirche. Erlauben Sie mir aber einige Überlegungen zum zweiten Punkt: die Kräfte des Bösen, die Matthäus „die Pforten der Hölle“ nennt.
Wir erleben heute eine ganz besonders verbissene Abneigung gegen die katholische Kirche im allgemeinen und gegen den Heiligen Vater im besonderen. Warum ist das so? Was ist der Hauptgrund dafür? Man kann es in wenigen Worten sagen: Weil die Botschaft Christi uns die Wahrheit bringt!
Solange die Wahrheit sich nicht den Mächten des Bösen entgegenstellt, geht alles gut. Sobald jedoch der kleinste Widerspruch geäußert wird, beginnt ein Aufstand, der auch zum Mittel der Diffamierung, der Verfolgung und des Hasses gegen die Kirche und besonders gegen die Person des Heiligen Vaters greift.
Werfen wir einen Blick auf einige Momente der Geschichte, die bekanntlich „Lehrmeisterin der Wahrheit“ ist.
In den Jahren unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils scheint der Kirche und dem Papst ein Art allgemeine Euphorie entgegengebracht zu werden. Doch es genügt die Veröffentlichung von Humanae vitae, mit der der Heilige Vater die überlieferte Lehre der Kirche bekräftigte, daß der eheliche Geschlechtsakt und der Aspekt der Fortpflanzung nicht voneinander getrennt werden können, und schon brachen die wüsten Angriffe gegen Papst Paul VI. los, der bis dahin in der besonderen Gunst der Welt zu stehen schien. Seine Sympathien für Jacques Maritain und den integralen Humanismus hatten die Hoffnungen der modernistischen Kreise in der Kirche und der politisch progressiven Kräfte in der Welt geweckt.
Dasselbe Schema wiederholte sich mehrfach während des langen Pontifikats von Papst Johannes Paul II. Als er gewählt wurde, war die kulturelle Elite des Westens völlig von der marxistischen Lesart der Wirklichkeit geblendet. Johannes Paul II. fügte sich diesem peinlichen kulturellen Konformismus nicht und begann ein hartes Duell mit dem Kommunismus, das ihn sogar zur Zielscheibe eines bis heute nicht endgültig geklärten Mordanschlags machte. Vergleichbares geschah Johannes Paul II. zu Fragen der Bioethik mit der Veröffentlichung von Evangelium vitae im Jahr 1995, einem soliden Kompendium zu den zentralen Fragen des Lebens und des Todes ohne Abstriche.
Und nun wurde Papst Benedikt XVI. wegen der Liebe zur „authentischen und evangelischen Wahrheit“ zur Zielscheibe, nachdem er bereits zuvor als „Glaubenswächter“ verächtlich gemacht wurde. Seine Wahl wurde von vielen Kommentatoren in aller Welt mit einer Mischung aus Zorn und Schrecken aufgenommen.
Eines steht fest: Papst Benedikt XVI. hat seinem Pontifikat einen eindeutigen Stempel aufgedrückt, den der Kontinuität mit der tausendjährigen Tradition der Kirche und vor allem den der Reinigung, um diese Tradition wieder freizulegen. Denn auf die Verunsicherung im Glauben folgt immer die Verdunkelung der Moral.
In der Tat, wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir anerkennen, daß Jahr für Jahr die Zahl derer unter den Theologen und Ordensmännern, unter den Ordensschwestern und Bischöfen zugenommen hat, die überzeugt sind, daß die Zugehörigkeit zur Kirche nicht die Anerkennung und Zustimmung zu einer objektiven Glaubensdoktrin bedeutet.
Es hat sich ein Katholizismus „à la carte“ verstärkt, in dem jeder sich jenen Teil auswählt, der ihm zusagt und alles, was ihm unverdaulich erscheint, zurückweist. Konkret ein Katholizismus, in dem eine Verwirrung der Rollen vorherrscht mit Priestern, die sich nicht mit ganzem Einsatz der Zelebration der Heiligen Messe widmen und ebensowenig den reuigen Sündern die Beichte abzunehmen, die es statt dessen vorziehen, sich irgendwelchen anderen Dinge zu widmen. Und mit Laien und Frauen, die versuchen, einen Teil der Aufgabe des Priesters an sich zu bringen, um eine Viertelstunde lang pfarrliche „Wichtigkeit“ zu erlangen, indem sie zum Beispiel die Heilige Kommunion austeilen.
Und genau da setzt Papst Benedikt XVI. wegen seiner Treue zur Wahrheit einen Schritt, der vielen Kommentatoren entgangen ist: Er bringt wieder das Glaubensbekenntnis vollständig und unverkürzt in der Formulierung des Konzils von Konstantinopel zur Geltung, also jenem, das normalerweise [allerdings nicht im deutschen Sprachraum, Anm. der Redaktion] Teil der Heiligen Messe ist. Die Botschaft ist klar: Kehren wir zur vollständigen Glaubenslehre zurück, zu den Grundsätzen unseres Glaubens. „Denn die vordringliche missionarische Verkündigung der Kirche ist heute von relativistischen Theorien bedroht, die den religiösen Pluralismus nicht nur de facto, sondern auch de jure rechtfertigen wollen“, schreibt der Theologe Ratzinger.
Die Konsequenz dieses Relativismus ist, erklärt der künftige Papst Benedikt XVI., daß Teile der Wahrheit als überholt angesehen werden, zum Beispiel: die Endgültigkeit und Vollständigkeit der Offenbarung Christi; die Selbstverständlichkeit des christlichen Glaubens im Gegensatz zu den Glaubensformeln anderer Religionen; der Fortbestand der einzigen Kirche Christi in der römisch-katholischen Kirche.
Deshalb ist die Wahrheit der Hauptgrund für die Abneigung gegen den Heiligen Vater. Ja, ich würde fast von Verfolgung sprechen. Eine Abneigung, deren faktische Folge sein sich Alleingelassen fühlen ist, daß er sich ein bißchen im Stich gelassen fühlt. Im Stich gelassen von wem? Hier liegt die große Widersprüchlichkeit! Verlassen von den Gegnern der Wahrheit, aber vor allem verlassen von bestimmten Priestern, Ordensleuten und Bischöfen; aber nicht von den Gläubigen.
Der Klerus durchlebt eine gewisse Krise, im Episkopat überwiegen Bischöfe mit einer geringen Eignung, aber die Gläubigen in Christus haben noch ihren ganzen Eifer. Entschlossen setzen sie ihre Gebete fort und besuchen die Heilige Messe, empfangen die Heiligen Sakramente und beten den Rosenkranz. Und vor allem setzen sie ihre Hoffnungen auf den Papst. Es gibt eine außergewöhnliche Verbundenheit zwischen Papst Benedikt XVI. und den Menschen, zwischen dem weißgekleideten Mann und den Seelen von Millionen von Christen. Sie verstehen und lieben den Papst. Weil ihr Glauben einfach und gottgefällig ist. Denn letztlich ist es die Einfachheit, die die Tür zur Wahrheit ist.
In dieser eucharistischen Feier bitten wir Gott und die Jungfrau Maria, daß auch wir solche Christen sein können.
Msgr. Adriano Bernardini, Apostolischer Nuntius in Argentinien