(Vatikan) Mit der Botschaft an den Lateinamerikanischen Berufungskongreß erteilte Papst Benedikt XVI. all jenen eine kräftige Antwort, die meinen, daß es „in der heutigen Zeit“ keine Berufungen zum Priestertum mehr gebe(n könne), daß das priesterliche Leben überdacht und der Zölibat abgeschafft werden solle. Benedikt XVI. erinnerte daran, daß die Berufung zum Priestertum eine konstituierende Dimension der Kirche darstelle und daher einen privilegierten Platz im Herzen des Papstes habe. Er zeigte sich erfreut, daß die Berufungen in vielen Gegenden Lateinamerikas wesentlich höher seien als anderswo. Den Mittelpunkt der Botschaft bildet die Verbindung zwischen Berufung und geistlichem Leben. „Unter den vielen Aspekten, die zur Förderung von Berufungen in Betracht zu ziehen sind, möchte ich die Bedeutung der Pflege des geistlichen Lebens hervorheben.“
Anders als viele meinen, sei „die Berufung nicht die Frucht irgendeines menschlichen Projekts oder einer geschickten organisatorischen Strategie“. Sicher, Projekte und Strategien seien nicht unnütz, doch „in seiner tieferen Realität ist die Berufung ein Geschenk Gottes, eine geheimnisvolle und unaussprechbare Initiative des Herrn, der in das Leben einer Person eintritt und sie mit der Schönheit Seiner Liebe einfängt, was eine totale Selbsthingabe an diese göttliche Liebe zur Folge hat.“ Wo in den Familien auch das geistliche Leben gepflegt werde, so lehre die Erfahrung, dort gebe es keine Krise der Berufungen. In den Familien, so der Papst, „ist es notwendig, den jungen Generationen die Möglichkeit zu bieten, die Herzen für eine größere Realität zu öffnen: für Christus, dem Einzigen, der ihrem Leben einen Sinn und Erfüllung geben kann.“
Die größte Hürde für Berufungen sei die weit verbreitete egoistische Vorstellung , sich selbst zu genügen. Sie könne aber durch ein geordnetes geistliches Leben überwunden werden, das bereits im Kindesalter lehre, „sich immer mehr mit dem Willen Gottes zu identifizieren“, so Papst Benedikt XVI.
„Wie so oft reichen die Gedanken des Papstes viel tiefer als viele bloß soziologische Erklärungsversuche und doch verliert er auch den soziologischen Aspekt nicht aus den Augen“, so der italienische Soziologe Massimo Introvigne. Dies werde deutlich, wenn er in der Botschaft sage, daß Berufungen auch von der Situation des sozialen Geflechts und vom geistlichen „Ton“ in den Diözesen und den Ordensgemeinschaften abhänge. Dort gelte es anzusetzen, um auf rückläufige Berufungszahlen zu antworten.
Die Statistik zeige jedenfalls, daß der Zölibat in der „Berufungskrise“ keine Rolle spiele. Wo eine genuine katholische Sozialisation möglich sei und das geistliche Leben blühe, dort blühen auch die Berufungen, ob in Diözesen oder in Ordensgemeinschaften. Der italienische Soziologe Massimo Introvigne fügte in einem Kommentar hinzu: „Und wo das soziale Netz zerfranst ist und das geistliche Leben am Boden liegt, dort haben auch die anglikanischen und lutherischen Pastoren große Probleme, Nachwuchs zu finden, obwohl sie heiraten dürfen.“
(Giuseppe Nardi, Bild: ratzingerbenedettoxvi)