Geographie der Märtyrer – Die kranke Welt des Anti-Christentums


„Die gemar­ter­ten Chri­sten im Ori­ent, in der mos­le­mi­schen und der hin­du­isti­schen Welt, sind für die Mehr­heit der Fran­zo­sen und die Euro­pä­er ins­ge­samt Unbe­kann­te.“ Dies der bit­te­re Schluß, zu dem Raphaà«l Del­pard am Ende einer lan­gen Repor­ta­ge kam, mit der er 2009 in Frank­reich das noch immer weit­ver­brei­te­te Schwei­gen zu den anti­christ­li­chen Ver­fol­gun­gen bre­chen woll­te. Dabei bezeich­ne­te sich der Jour­na­list und lang­jäh­ri­ge Akti­vist für Men­schen­rech­te gleich in der Ein­füh­rung selbst als Athe­ist. Die jüng­sten Angrif­fe auf Chri­sten soll­ten Anlaß sein, das Buch, das noch nicht ins Deut­sche über­setzt wur­de, wie­der zur Hand zu nehmen.

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Er fühl­te sich aber gedrängt, den Men­schen über die ein­zi­ge Form zeit­ge­nös­si­scher Grau­sam­keit zu berich­ten, über die zu berich­ten sich vie­le euro­päi­sche Medi­en wei­gern. Mit dem Titel „Die Chri­sten­ver­fol­gung – heu­te in der Welt“ (Ver­lag Michel Lafon) ver­öf­fent­lich­te Del­pard das Ergeb­nis zahl­rei­cher Rei­sen und Dut­zen­der von meist gehei­men Begeg­nun­gen mit Chri­sten in rund 20 Län­dern: von Alge­ri­en bis Nord­ko­rea, von Weiß­ruß­land bis in den Irak und den Iran.

Del­pard zeigt auf, daß in vie­len Län­dern die Ver­fol­gun­gen in jüng­ster Zeit eine besorg­nis­er­re­gen­de Beschleu­ni­gung erfah­ren haben. Das ist der Fall in Ägyp­ten, wo „die mör­de­ri­schen Angrif­fe gegen die kop­ti­schen Kir­chen sich jedes Jahr ver­schär­fen“. Das Buch von Del­pard erschien vor dem Sil­ve­ster-Mas­sa­ker in Alex­an­dria und erin­nert an die schwe­ren Angrif­fe in Alex­an­dria von 2006, die noch immer wie ein Trau­ma auf der kop­ti­schen Gemein­schaft lasten: „Mit Knüp­peln und Stei­nen bewaff­ne­te Hor­den fana­ti­scher Mos­lems über­fie­len ein christ­li­ches Begräb­nis eines Kop­ten, der am Tag zuvor ermor­det wor­den war. Die Poli­zei stand untä­tig dane­ben und griff erst ein, als die Stra­ße von getö­te­ten Kop­ten bedeckt war.“

In den letz­ten Jah­ren war auch das Ver­hal­ten der Zen­tral­macht weni­ger neu­tral. Del­pard erin­nert zum Bei­spiel dar­an, daß „Kai­ro auf unbe­fri­ste­te Zeit die Ermitt­lun­gen zu einem Fall sus­pen­dier­te, bei dem min­der­jäh­ri­ge christ­li­che Mäd­chen ent­führt, ver­ge­wal­tigt und gezwun­gen wur­den, zum Islam zu kon­ver­tie­ren und prak­ti­zie­ren­de Mos­lems zu hei­ra­ten.“ Geschich­ten, wie die von Ingy Nagy Edwar und The­re­sa Ghat­tass, 19jährige, ent­führ­te und zum Islam zwangs­kon­ver­tier­te Chri­stin­nen hin­ter­las­sen schmerz­haf­te Spu­ren des Lei­dens in der christ­li­chen Gemein­schaft, die nur schwer zu löschen sind. Es sind die­se und vie­le ande­re schreck­li­che Epi­so­den, die – so Del­pard – vie­le ägyp­ti­sche Kop­ten auf den Weg ins Exil drängen.

Gene­rell gibt es noch vie­le Staa­ten, in denen „es wag­hal­sig ist, sich als Chri­sten zu beken­nen“. In der Tür­kei, zum Bei­spiel, „ist es bes­ser ver­ges­sen zu wer­den“, wie zahl­rei­che Chri­sten Del­pard anver­trau­ten. In kom­mu­ni­sti­schen Staa­ten wie Nord­ko­rea „wer­den die Chri­sten als die gefähr­lich­sten Staats­fein­de betrach­tet“. Eine feind­se­li­ge Hal­tung, die gera­de­zu zu einer anti­christ­li­chen Zwangs­vor­stel­lung führ­ten: „In Nord­ko­rea sind über­all auf den Stra­ßen Poli­zi­sten in Zivil unter­wegs. Wenn sie jeman­den erspä­hen, der die Augen schließt, mit sich sel­ber zu reden scheint oder medi­tiert, han­delt es sich für sie zwin­gend um einen Chri­sten der betet. Es folgt sofort die Ver­haf­tung ohne jede Begrün­dung.“ In Nord­ko­rea leben min­de­stens 200.000 Chri­sten, man­che spre­chen sogar von einer hal­ben Mil­li­on. Sie sind jedoch zur abso­lu­ten Unsicht­bar­keit gezwungen.

Aber selbst in Euro­pa kommt es zu mehr oder weni­ger schwer­wie­gen­den Dis­kri­mi­nie­run­gen von Chri­sten, wie Del­pard auf­zeigt. Das Leben der fran­zö­si­schen Mos­lems, die sich zum Chri­sten­tum bekeh­ren – es sind jähr­lich meh­re­re Tau­send – „ist ein Kal­va­ri­en­berg“. Genau so ist es in allen euro­päi­schen Staa­ten. Ein 26-Jäh­ri­ger, in Frank­reich gebo­re­ner jun­ger Mann, der anonym blei­ben woll­te, berich­tet, daß „sei­ne Eltern sich seit sei­ner Bekeh­rung zum Chri­sten­tum von ihm abge­wandt haben, sei­ne Freun­de reden kein Wort mehr mit ihm, und schlim­mer noch, die einen wie die ande­ren beschul­di­gen ihn der Apostasie.“

Del­pard erin­nert auch dar­an, daß es ledig­lich mehr oder weni­ger glaub­wür­di­ge Schät­zun­gen über die Zahl der Chri­sten gibt, die sich wegen ihres Glau­bens im Gefäng­nis befin­den, in Län­dern wie Syri­en, Jor­da­ni­en, Jemen, Äthio­pi­en und der Volks­re­pu­blik Chi­na. Es ist erst drei Jah­re her, seit sich eine Wun­de tief in das Gedächt­nis der christ­li­chen Min­der­heit Eri­tre­as ein­ge­prägt hat: „Am 12. Sep­tem­ber 2007 wur­den zehn Frau­en wäh­rend des Gebets ver­haf­tet und in ein Mili­tär­la­ger ver­schleppt, wo sie täg­lich gefol­tert wur­den mit dem Ziel, daß sie ihrem christ­li­chen Glau­ben abschwören.“

Nach einer gründ­li­chen und detail­lier­ten Ana­ly­se einer lan­gen Rei­he von Ereig­nis­sen und indi­vi­du­el­len Schick­sa­len warnt Raphaà«l Del­pard vor den wach­sen­den, zukünf­ti­gen Gefah­ren der der­zeit im Westen ver­brei­te­ten Gleich­gül­tig­keit gegen­über der „kran­ken Welt des Anti-Chri­sten­tums“. Für den fran­zö­si­schen Autor ist es drin­gend not­wen­dig, die Mau­er des Schwei­gens zu durch­bre­chen, denn „im Schwei­gen zu blei­ben, heißt das Ver­bre­chen als eine Art Schick­sal zu akzep­tie­ren“. Im übri­gen gebe es kei­ne Ent­schul­di­gun­gen: „Die ver­folg­ten Chri­sten sind weit weg von uns und so mei­nen wir teil­wei­se unse­re Teil­nahms­lo­sig­keit damit recht­fer­ti­gen zu kön­nen. Was für ein Irr­tum. Sie leben kei­ne zwei Flug­stun­den von unse­rem Kom­fort entfernt!“

(Avvenire/​Giuseppe Nardi)

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