(Sarajevo) Am vergangenen 17. November erging ein rechtskräftiges Urteil des bosnisch-herzegowinischen Bundesgerichts in Sarajevo, mit dem die Enteignung der Wohnung des Erzbischofs von Vrhbosna-Sarajevo, Vinko Kardinal Puljic, im bischöflichen Palais angeordnet wurde. Die Wohnung im Besitz der Kurie wurde in der Vergangenheit durch das kommunistische Regime enteignet, um dort kommunistische und moslemische Spitzel unterzubringen, wie die Corrispondenza Romana berichtet.
Während des Bosnien-Krieges gelangte der Kardinal wieder in den Besitz der Wohnung. Nicht nur die Wohnung, sondern das gesamte Palais wurde mit Abhörgeräten verwanzt vorgefunden, einschließlich dem Schlafzimmer des Kardinals. Die Witwe und andere Verwandte des letzten, kommunistischen Spions, der in der Wohnung gelebt hatte und inzwischen verstorben ist, klagte vor Gericht und forderte die Wohnung zurück. 15 Jahre nach der Rückerstattung an den rechtmäßigen Eigentümer, die Erzdiözese von Vrhbosna-Sarajevo, gab das Bundesgericht Sarajevo unerwartet und unter Verletzung jeden Rechtsgrundsatzes der Witwe recht. Am 17. November entschied das Gericht, daß die Erzdiözese, die ihr vom kommunistischen Regime geraubte und einem kommunistischen Agenten überlassene Wohnung dessen Witwe überlassen müsse. Gleichzeitig forderte das Gericht Kardinal Puljic auf, die Wohnung zu räumen. Der Kardinal teilte mit, daß er seine Wohnung nicht verlassen werde.
Die kroatische Presse in Bosnien, der Herzegowina und Kroatien empört sich seit Tagen über das Urteil. Eine Welle des Protest erfaßte die Kroaten. Es gibt Stimmen, die von der Vorbereitung einer kroatischen Massenkundgebung in Sarajevo sprechen, zu der sich Kroaten aus allen von ihnen bewohnten Gebieten in der bosnische Hauptstadt versammeln könnten.
Dieser erneute Angriff auf die katholischen Kroaten in Bosnien-Herzegowina erfolgte wiederum unter dem allgemeinen Schweigen der internationalen Staatengemeinschaft, die Bosnien-Herzegowina in einem protekoratsähnlichen Status kontrolliert. Kardinal Pujic protestierte beim Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, dem österreichischen Diplomaten Valentin Inzko, gegen das Urteil. Der Kärntner Slowene erklärte lediglich, nichts machen zu können. Ein vom Kardinal als Zeuge zum Gespräch mit Inzko hinzugezogener slowenischer Bischof habe dem UN-Beauftragten und EU-Sonderbevollmächtigten schwere Vorwürfe gemacht wegen dieses Akts offener Piraterie.
Inzko besitzt als Hoher Repräsentant über absolute Vollmachten in Bosnien-Herzegowina. Gegen jede Form von offener Rechtsverletzung oder diskriminierende Urteile kann er jederzeit und direkt einschreiten und von Amtswegen die dafür Verantwortlichen ihrer Ämter entheben, seien es Beamte, Bürgermeister, Richter oder sogar Minister.
Diese Vollmachten werden jedoch nie in politischen Fragen und bei Entscheidungen angewandt, hinter denen die moslemische Partei der demokratischen Allianz (SDA) steht, seit entsprechende Anweisungen durch die amerikanische Regierung erlassen wurden. Die SDA ist seit 1990 stärkste Partei und war an allen Regierungen beteiligt. Die katholischen Kroaten sind mit etwa 17 Prozent nicht nur die kleinste der drei in Bosnien-Herzegowina zwangsvereinten Volksgruppen und Religionsgemeinschaften, sondern auch die am meisten benachteiligte.
(Corrispondenza Romana/Giuseppe Nardi, Bild: de.academic.ru)