(Rom) Ein bewegtes Pontifikat ist das von Benedikt XVI. Große Enzykliken, historische Ansprachen, aber auch eklatante Unfälle. Die beiden Vatikanisten Andrea Tornielli und Paolo Rodari beginnen in ihrem Buch „Angriff gegen Ratzinger“ bei letzteren und stellen sich eine zentrale Frage: Gehorcht die starke Betonung dieser „Unfälle“ durch die Presse lediglich den unerbittlichen Gesetzmäßigkeiten der Medien oder nicht vielmehr einer gezielten Regie, die darauf abzielt, die Botschaft Ratzingers zu „betäuben“, um sie mit dem „Klischee des rückwärtsgewandten Papstes zu erdrücken“?
Es fällt schwer, eine eindeutige Antwort zu geben. Liest man das Buch, beschleicht einen jedenfalls dieses Gefühl. Das Gefühl, daß dieser Papst die bestehenden Interessen zu vieler (außerhalb, aber auch innerhalb der Kirche) angetastet hat und diese versuchen, ihn das bezahlen zu lassen. Auch, weil es heute nicht mehr jenen schützenden Damm der ausladenden Persönlichkeit des polnischen Papstes gibt, die alle und alles überragte und gleichzeitig zudeckte, einschließlich der eigenen Fehler (die im Buch gut dokumentiert sind). So fällt es nun dem ehemaligen deutschen Professor zu, die Scherben einer immer mehr in Schwierigkeiten geratenen Kirche zusammenzufügen. Kardinal Ratzinger wußte genau, wovon er am Karfreitag 2005 sprach, wenige Wochen vor seiner Wahl, als er alle sprachlos ließ, indem er über den „Schmutz“ in der Kirche und unter den Priestern sprach, einen Schmutz, der uns „bestürzt“, der uns fast wie ein Sieg „Satans“ erscheint.
Zu diesem Schmutz sind auch die Lücken im vatikanischen Apparat zu zählen, zumindest jene, die eher Folge von Mißgunst und interner Fehden als von Dilettantismus sind. Mit dem Ergebnis, den Papst alleine und schutzlos zu lassen. Deshalb mahnte Benny Lai, der Doyen der Vatikanisten: „Einen Papst wie Benedikt, der so Großes sagt, wie jenes, daß die Kirche Buße tun soll, darf man nicht bestimmten Angriffen ausgeliefert sein lassen.“
Der entscheidende Punkt ist also: Wenn die Lobbys, die die Welt von heute beherrschen, Ratzinger so hart angreifen, können sie dies auch deshalb tun, weil sie wissen, daß dieser Papst allein ist. Allein vor allem innerhalb der Kirche, wo der Konflikt zwischen Traditionalisten und Progressisten inzwischen das Ausmaß eines unausgesprochenen Schismas angenommen hat.
Eine Reihe von Ereignissen und Chronikfällen signalisiert, daß das Rückgrat der Kirche angeschlagen ist. Das sind die Priester. Wer in dieser Situation die Nerven behält, ist aber gerade Benedikt XVI., der in seinem, stets durch die Kirchenväter deklinierten Lehramt, die aktuelle Krise vor dem Hintergrund der ewigen Dialektik zwischen Gut und Bösen einzuordnen weiß. Einer Dialektik, wie Pascal sagte, den der Papst auch auf seiner jüngsten Englandreise zitierte, die Christus bis zum Ende der Welt immer leidend sieht.
Gianpaolo Romanato, Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Padua, ist einer der führenden Kenner der Geschichte der Päpste des 19. und 20. Jahrhunderts. Er verfaßte für den Corriere della Sera eine Rezension zum Buch „Attacco a Ratzinger“ (Angriff gegen Ratzinger) von Paolo Rodari und Andrea Torniello.
(Palazzo Apostolico/Giuseppe Nardi, Bild: flickr.com/Martin & Julia)