Liebe Brüder und Schwestern!
In diesen Wochen spreche ich über große Frauengestalten des Mittelalters und möchte heute über die sel. Angela von Foligno sprechen. Sie wurde 1248 in eine umbrische Adelsfamilie hineingeboren und lebte zunächst als Ehefrau und Mutter in einem gewissen Wohlstand und ziemlich weit entfernt vom Glauben und vom Leben der Kirche. Das Vorbild des großen Heiligen Umbriens Franz von Assisi gab ihr den Anstoß, selber nach geistlicher Erneuerung zu suchen. Und in dieser Zeit verlor sie um 1288 in rascher Folge fast alle ihre Angehörigen durch den Tod: Ihre Mutter starb, ihr Mann, alle ihre Kinder. Diese schwere Prüfung führte sie dazu, all ihren Besitz zu verschenken und in Armut und Gebet zu leben. Am 4. Januar 1309 ist sie als Franziskanerterziarin in Foligno gestorben. Der hl. Franz hegte eine besondere Verehrung für das göttliche Kind in der Krippe und für den Erlöser am Kreuz. Angela hat diese Spiritualität aufgenommen: In der Menschwerdung sieht sie, wie Gott zu uns heruntersteigt, sich gleichsam selbst arm macht, zu allen Menschen demütig und in Güte kommt, in einer Weise, die Ausdruck seiner unendlichen Liebe ist. Und im Kreuz als der letzten Erniedrigung, die er auf sich nimmt, wird ihr dann auch ihre eigene Schuldhaftigkeit bewußt, merkt sie, daß sie nicht gut gelebt hat, daß sie vor Gott und den Menschen in Sünde steht. Obwohl sie sich voll Liebe fühlt, hat sie nicht die Kraft, Gott zu lieben, spürt sie, daß sie Gott eigentlich nichts geben kann, und weiß, daß die Liebe, die sie hat, ihr von Gott selbst geschenkt ist und daß sie ihm nur zurückgibt, was sie von ihm umsonst bekommen hat. Diese Erkenntnis, nichts Eigenes geben zu können und gerade so ganz von Gott geliebt zu sein, verbindet sich mit dem Schmerz, Christus am Kreuz wegen unserer Sünden leiden zu sehen. Angela hat ihre Bekehrung als einen geistlichen Weg beschrieben, der mit dem Bewußtsein der Schuld und mit der Furcht vor der Verdammnis zu einer schmerzvollen Nachfolge führt, aber dann zu einer gnadenvollen Erfahrung der Gottesnähe, zur Freude an Gott auch mitten im Leiden, zum Glück des Geliebt-Seins und Lieben-Dürfens hinführt. Das Geheimnis des Fortschritts auf diesem Weg ist das Gebet. Sie sagt, und damit redet sie auch uns ganz direkt an: »Je mehr du betest, um so mehr wirst du verstehen, und je mehr du im Licht stehst, um so tiefer und klarer siehst du das Höchste Gut, und um so mehr du es siehst, wirst du es lieben.« So lädt sie uns ein, betende Menschen zu sein, auf diese Weise Gott wahrzunehmen und dadurch anders zu werden, das rechte Leben zu finden.
Von Herzen grüße ich alle Pilger deutscher Sprache, heute besonders die Ministranten aus dem Erzbistum Köln, die sich mit Kardinal Meisner nach Rom aufgemacht haben, und ebenso die Meßdiener aus Borken in Westfalen. Ich grüße auch die Neupriester aus dem Germanikum mit ihren Gästen und nicht zuletzt die Schwestern der heiligen Elisabeth. Der Aufenthalt in Rom schenke euch geistliche Kraft für euren Alltag. Gott segne euch alle.