(Paris) Die „alten“ Ordenskongregationen ermatten. Ihre Anziehungskraft ist erblaßt. Im Gegensatz dazu blühen die Gemeinschaften der Tradition auf und zählen zahlreiche Novizen in ihren Reihen. „Auch hinter ihren hohen, oft 1000 Jahre alten Mauern sind die Mönche und Nonnen und die Mitglieder der 400 in Frankreich vorhandenen Ordensgemeinschaften nicht vor den Veränderungen der katholischen Welt geschützt. Ganz im Gegenteil stehen sie an vorderster Linie bei den Entwicklungen, die mit der Entchristlichung verbunden sind. Während die Interessenlosigkeit an der Berufung zum Priestertum von Jahr zu Jahr Bestätigung findet – mit 83 Priesterweihen im Jahr 2010 wurde ein historischer Tiefstand erreicht – überaltert die Welt der Orden und schrumpft unaufhaltsam dahin. In nur zehn Jahren verlor sie ein Drittel ihrer Mitglieder sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen.“ Mit diesen Worten beginnt der Beitrag von Stéphanie Le Bars in der französischen Tageszeitung Le Monde vom 11. August 2010 mit dem Titel „Die religiösen Orden altern und tun sich schwer junge Katholiken anzuziehen“.
Die Entwicklung ist seit Jahrzehnten bekannt. Der Beitrag beschreibt die dramatische „Verdunstung“, um einen Ausdruck der Autorin zu gebrauchen, der „alten“ Ordensgemeinschaften: alt bezogen auf ihre Gründung und auf das Alter der Mitglieder.
Le Bars bestätigt aber gleichzeitig ausdrücklich, daß die jungen Ordens- und Priestergemeinschaften aufblühen, die der Tradition verbunden sind. Im Beitrag kommen Florece de La Villeon und Pater Benoit Griere als Vertreter der „alten“ Ordensgemeinschaften zu Wort. Sie scheinen sich der Entwicklung durchaus bewußt zu sein und auch des Wunsches der katholischen Jugendlichen nach starken Vorbildern, nach einer radikalen Nachfolge aus Liebe zu Jesus, nach Klöstern, in denen das Ordensleben nach Regel und Praxis ernst genommen wird. Die wirklich gläubige katholische Jugend will Zeugnis für ihren Glauben abgeben.
Sie ziehen daraus aber keine Schlüsse, scheinen sich vielmehr über diese Wünsche lustig zu machen, indem sie die Ernsthaftigkeit und den Glaubenseifer der jungen Katholiken, die sich den Gemeinschaften der Tradition anschließen und offenbar auch bei den „alten“ Orden anklopfen, aber abgewiesen werden, in Zweifel ziehen. Letztlich bezeichnen sie die derzeitige Situation „als die bestmögliche“. Hier scheint eine gehörige Portion Anmaßung mit hineinzuspielen, um sich das Scheitern mancher „Neuausrichtung“ der letzten Jahrzehnte, mancher voreiliger „Modernisierung“ in den Klöstern und Ordensgemeinschaften nicht eingestehen zu müssen.
Statt dessen erfreuen sich die zitierten Ordensvertreter am großen Andrang von „spirituellem Tourismus“. Die aus Mangel an Berufungen aufgelassenen Klöster seien „sehr beliebt“ unter Personen „jeder Konfession“, die „Ruhe suchen“. Der Erfolg des „Urlaubs im Kloster“ ist nicht zu leugnen. „In meiner Diözese reicht unser Angebot nicht aus, um alle Nachfragen zu decken“, so Marie-Chantal Geoffrey, Oberin eines Klosters in Voiron-Isà¨re. „Wir haben Christen, die sich zurückziehen wollen, Personen die Gehör suchen, andere, gläubig oder nicht, die auf der Suche nach Stille und nach dem Sinn sind“, so Geoffrey.
Wo einst blühende Klöster standen, in denen Ordensmänner und Ordensfrauen Ad maiorem Dei gloriam lebten und wirkten, begnügt man sich heute mit spirituellem Tourismus, einem Nischenzweig der großen Tourismusbranche. Es drängt sich die Frage auf, warum die Ordensmänner und Ordensfrauen sich nicht wieder etwas anstrengen, um den Menschen zu zeigen, daß es keinen vollkommeneren Sinn gibt als den christlichen, und daß es keine vollkommenere Stille gibt, als die Stille des Gebets.
Mit wenigen Worten bringt der Trappistenmönch und ehemalige Abt von Mont-des-Cats, Dom Giullaume Jedrzejczak die Lage auf den Punkt: „Die Klöster, die am meisten anziehen, sind jene, die sich am stärksten der Tradition verbunden fühlen“. Die Benediktinerabtei Notre Dame de Fongomblaut zählt heute 60 Mönche. An jedem Morgen wird die Heilige Messe im alten Ritus zelebriert.
Wenige Worte, denn mehr dürfen es nicht sein. Das Thema der überfüllten Noviziate und Priesterseminare der Gemeinschaften der Tradition sind noch weitgehend ein innerkirchliches Tabuthema. Es findet daher so gut wie keinen Niederschlag in der kirchlichen Presse ob in Frankreich oder Deutschland, Österreich oder Belgien und noch weniger in der weltlichen Presse.
Die Dramatik, die im Artikel von „Le Monde“ zum Ausdruck kommt, zeigt auf, wie sehr die Kirche leidet. Sie macht aber auch deutlich, mit welcher Weitsicht Papst Benedikt XVI. begann, die verlegten Schätze der Tradition wieder zu heben und in seiner väterlichen Fürsorge für die katholische Jugend wieder zugänglich zu machen.
Giuseppe Nardi (Bild: Le Monde)