In der Schule von Papst Benedikt XVI. – Worüber der Schülerkreis des Papstes im Sommer 2010 sprechen wird


(Castel Gan­dol­fo) Papst Bene­dikt XVI. ist in der päpst­li­chen Som­mer­re­si­denz Castel Gan­dol­fo etwa 25 Kilo­me­ter süd­öst­lich von Rom in den Alba­ner Ber­gen ein­ge­trof­fen. Die Resi­denz, im Mit­tel­al­ter vom lan­go­bar­di­schen Geschlecht der Gan­dol­fin­ger errich­tet, erhebt sich am Rand eines erlo­sche­nen Vul­kans, des­sen Kra­ter heu­te ein See füllt. Damit rich­tet sich der Blick auch auf das jähr­li­che Tref­fen des „Schü­ler­krei­ses“ des Pap­stes. Wer wirk­lich ver­ste­hen wol­le, wer Joseph Ratz­in­ger ist, der muß sich mit den som­mer­li­chen Semi­na­ren befas­sen, die der Papst mit rund 40 sei­ner ehe­ma­li­gen Schü­ler hin­ter ver­schlos­se­nen Türen orga­ni­siert, schreibt der Vati­ka­nist Pao­lo Rodari.

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Bei die­sen Tref­fen „fühlt er sich wie Jesus unter den Schrift­ge­lehr­ten“, wird Pater Mar­tin Trim­pe im Buch „Ratz­in­ger pro­fes­so­re“ von Gian­ni Valen­te zitiert. Trim­pe gehört selbst dem Schü­ler­kreis an.

„Er kaut an der Lip­pe, bewegt die Bei­ne unter dem Tisch und wirkt inner­lich durch­drun­gen von der Lei­den­schaft und der Neu­gier­de, die bereits den jun­gen Stu­den­ten in Frei­sing beweg­te. Ratz­in­ger behagt es außer­or­dent­lich im Kreis sei­ner ehe­ma­li­gen Stu­den­ten, weil er mit ihnen so etwas wie eine theo­lo­gi­sche Freu­de empfindet.“

So ist das seit vie­len Jah­ren und auch noch jetzt, da er Papst gewor­den ist. Nach den vie­len Jah­ren Dienst an der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on war es ein offe­nes Geheim­nis, daß er sich lie­ber nach Bay­ern zurück­ge­zo­gen hät­te, fern dem lau­ten Trei­ben Roms und den kuria­len Kämp­fen, nur von der Ruhe sei­ner Bücher umge­ben. Aber „die Her­ren Kar­di­nä­le haben mich, einen ein­fa­chen und beschei­de­nen Arbei­ter im Wein­berg des Herrn gewählt“, sag­te er am Tag sei­ner Wahl, als er sich dem gläu­bi­gen Volk erst­mals als Papst zeigte.

So wur­de der Traum vom Rück­zug in die Freu­de des Stu­di­ums und der theo­lo­gi­schen Über­le­gung stark redu­ziert, aber von ihm nie ganz auf­ge­ge­ben. Abends fin­det der Papst noch immer Zeit zum Stu­di­um, vor allem im Som­mer. Die­se Stun­den der intel­lek­tu­el­len Ver­tie­fung fin­den ihren Höhe­punkt jeweils am Ende des Som­mers im Tref­fen mit sei­nem Schülerkreis.

Bereits in der Wahl der The­men für die Tref­fen zeigt sich das wah­re Gesicht Joseph Ratz­in­gers. 2005, im ersten Som­mer sei­nes Pon­ti­fi­kats, wähl­te er „Das Got­tes­bild im Islam“. Weni­ge Stun­den nach dem Tref­fen mach­te der ame­ri­ka­ni­sche Jesu­it P. Josph Fes­sio bekannt, was der Papst gesagt hat­te. Es folg­ten zahl­rei­che Pro­te­ste und erheb­li­che Unru­he. Im Kern war es die Vor­weg­nah­me sei­ner berühmt gewor­de­nen Regens­bur­ger Rede. In den Jah­ren 2006 und 2007 stand das The­ma „Schöp­fung und Evo­lu­ti­on“ im Mit­tel­punkt. 2008 wur­de das Ver­hält­nis zwi­schen den Evan­ge­li­en und Jesus erör­tert, das im Zen­trum sei­nes Buches „Jesus von Naza­reth“ steht. Im ver­gan­ge­nen Jahr 2009 ging es um „Die Mis­si­on der Kir­che“. Eine Kon­se­quenz scheint die Grün­dung eines neu­en Dik­aste­ri­ums für die Neue­van­ge­li­sie­rung des Westens an der römi­schen Kurie zu sein. Für den Spät­som­mer 2010 wur­de als The­ma gera­de­zu ein Leit­mo­tiv sei­ner theo­lo­gi­schen Lauf­bahn gewählt: „Die Her­me­neu­tik des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils“. Auf die dar­auf fol­gen­den Schrit­te darf man gespannt sein. Der jun­ge Theo­lo­ge Joseph Ratz­in­ger hat­te das Kon­zil als Bera­ter an der Sei­te pro­gres­si­ver Kon­zils­vä­ter erlebt. Zu den Fol­gen und nach­träg­li­chen Inter­pre­ta­tio­nen des Kon­zils sag­te er 1984 jedoch dem Jour­na­li­sten und Schrift­stel­ler Vitto­rio Mess­o­ri: „Nicht ich habe mich ver­än­dert, son­dern sie haben sich ver­än­dert.“ Damit woll­te er sagen, daß die wah­re Reform der Kir­che nach dem Kon­zil nicht von jenen Theo­lo­gen umge­setzt wur­de, die er in den 60er Jah­ren bera­ten hat­te, und die die Bin­dung zu den Wur­zeln kap­pen und sich bedin­gungs­los der Welt öff­nen woll­ten. Die Erneue­rung ist immer Reform in der Kon­ti­nui­tät, ist hin­ge­gen die feste Über­zeu­gung Joseph Ratz­in­gers. Unter den zahl­rei­chen ehe­ma­li­gen Schü­lern wer­den auch 2010 wie­der der bis­he­ri­ge Bischof von Basel und nun­meh­ri­ge Vor­sit­zen­de des Rats für die Ein­heit der Chri­sten anwe­send sein und der Wie­ner Erz­bi­schof, Kar­di­nal Chri­stoph Schön­born, den Papst Bene­dikt erst vor einer Woche zur Ord­nung rief und sich ihm damit gegen­über ein­mal mehr als sein alter Leh­rer zeigte.

(Palaz­zo Apostolico/​GN, Bild: vaticandiplomacy)

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