Liebe Brüder und Schwestern!
In der Katechese am vergangenen Mittwoch habe ich bereits über das Leben des heiligen Thomas von Aquin gesprochen. Heute möchte ich einige Eckpunkte der Lehre des größten mittelalterlichen Theologen vorstellen. Thomas von Aquin sieht einen tiefen Einklang zwischen Glaube und Vernunft, die beide der einen Quelle der Wahrheit entstammen. Ihr Zusammenspiel kann fruchtbar werden, wenn die Vernunft nicht bloß auf die empirische Sphäre eingeschränkt und der objektive Wahrheitsgehalt der Glaubenssätze anerkannt wird. Da Gott selbst auf für Menschen verständliche Weise zu uns gesprochen hat, können auch wir auf analoge Weise wahre Aussagen über ihn machen. Religion beschränkt sich nicht auf den Bereich des Subjektiven und Emotionalen, wie manche behaupten. Ähnliches gilt für den Bereich der Morallehre, bei der für Thomas von Aquin das Neue Gesetz, die Gnade des Heiligen Geistes, im Mittelpunkt steht, aus der die göttlichen und die sittlichen Tugenden erwachsen, die die Menschen als Individuen und als Gemeinschaft zum wahren Glück führen. Doch dieser Weg ist bereits im Wesen des Menschen grundgelegt und die Vernunft kann die wesentlichen Inhalte des natürlichen Sittengesetzes erkennen. Wenn diese universalen Rechte und Pflichten geleugnet werden, führt dies zum moralischen Relativismus des Einzelnen und zu Totalitarismus auf staatlicher Ebene. Diesbezüglich ist Thomas von Aquin ein wichtiger Vordenker der Menschenrechte.
Ganz herzlich begrüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Bei aller Bewunderung für die denkerische Leistung von Thomas von Aquin dürfen wir nicht vergessen, daß er zuerst ein gläubiger und betender Ordensmann war. So bringt es eines seiner Gebete zum Ausdruck: „Schenk mir, o Gott, Verstand, der dich erkennt, Eifer, der dich sucht, Weisheit, die dich findet, einen Wandel, der dir gefällt, Beharrlichkeit, die gläubig dich erwartet, Vertrauen, das am Ende dich umfängt.“ Dazu erbitte ich euch und euren Familien Gottes reichen Segen.