(Vatikan/Wien) Papst Benedikt XVI. soll dem Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, einen Brief geschrieben haben, in dem er ihn tadelt. Der Grund: Die Anschuldigung Schönborns, Kardinal Angelo Sodano, damals Staatssekretär des Vatikan habe 1995 unter Papst Johannes Paul II. die Einsetzung einer Untersuchungskommission wegen der gegen den damaligen Erzbischof von Wien, Kardinal Hans Hermann Groer erhobenen Vorwürfe des sexuellen Mißbrauchs durch einen früheren Schüler, abgelehnt. Kardinal Schönborn äußerte diese Behauptung am Rande eines Pressegesprächs außer Programm.
Am 1. Juni schrieb erstmals die Tageszeitung Il Foglio über die Existenz dieses Schreibens, in dem Papst Benedikt XVI. seine Verwunderung über die Behauptung Schönborns zum Ausdruck brächte. Andrea Tornielli, Vatikanist der Tageszeitung Il Giornale schrieb dazu, daß es sich „seines Wissens nach“ bereits um das „zweite Schreiben dieser Art“ an den Wiener Erzbischof handle. Ein erstes Schreiben habe der Papst seinem ehemaligen Schüler und Mitarbeiter an der Glaubenskongregation nach Wien geschickt, nachdem dieser vor rund einem halben Jahr mit Medientroß nach Medjugorje gereist war, deshalb und wegen der von Schönborn im kleinen herzegowinischen Ort gemachten Aussagen.
Auf Nachfrage erklärte Tornielli, daß es sich um einen Brief des Tadels und der Klärung handelt. Er habe ihn persönlich nicht gelesen, man habe ihm den Inhalt jedoch glaubwürdig so geschildert.
Das erste Schreiben mit einer Rüge bezog sich auf Medjugorje. Der Ort nahe bei Mostar ist seit den 80er Jahren wegen angeblicher Marienerscheinungen bekannt geworden und zieht alljährlich Millionen von Pilgern an. Das von einer Gruppe von Sehern behauptete Phänomen ist kirchlich nicht anerkannt, sondern derzeit Gegenstand einer Untersuchung durch die Kirche, mit der Benedikt XVI. Kardinal Camillo Ruini beauftragte. Kardinal Schönborn revidierte daraufhin seine vorherigen Aussagen zu den Erscheinungen.
Welche Reaktionen aus das neue Schreiben zu den jüngsten, umstrittenen Aussagen des Kardinals geben werden, wird sich zeigen.
(Giuseppe Nardi/ Bild: flickr.com/Reini68)