(Mannheim) Wer aus einer Kirche austritt, die nach staatlichem Recht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat und deswegen zur Erhebung von Kirchensteuer berechtigt ist, kann seine Austrittserklärung nicht auf den staatlichen Rechtskreis beschränken. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil entschieden. Er hat damit der Berufung des Erzbistums Freiburg gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg stattgegeben, das die Bescheinigung über den Kirchenaustritt eines emeritierten Professors für katholisches Kirchenrecht als rechtmäßig angesehen hatte.
Der Hochschullehrer hatte im Jahr 2007 gegenüber dem Standesamt seines Wohnorts seinen Kirchenaustritt erklärt. Er hatte dabei die Religionsgemeinschaft mit den Worten „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ bezeichnet. In dieser Formulierung liegt nach Auffassung des VGH ein Zusatz, der gegen § 26 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes Baden-Württemberg verstößt. Das Gesetz verlangt für den Kirchenaustritt eine eindeutige Erklärung und verbietet deswegen Bedingungen und Zusätze. Für die Auslegung dieser Bestimmung ist nach Ansicht des VGH von entscheidender Bedeutung, daß mit diesem Verbot gerade der sogenannte „modifizierte Kirchenaustritt“ unterbunden werden sollte. Die Erklärung müsse folglich erkennen lassen, daß sich der Betroffene ernsthaft und vollständig von der Religionsgemeinschaft lossagen wolle. Wer, wie der Kirchenrechtler, von sich aus den Kirchenaustritt auf die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beschränke, aber gleichwohl in einer auch für den Staat erkennbaren Weise aktives Mitglied seiner Kirche bleiben wolle, erfülle die Anforderungen des Gesetzes nicht.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hält der VGH daran fest, daß ein Kirchenaustritt unwirksam ist, der isoliert nur diejenigen Rechtsfolgen beseitigen will, die eine Kirchenmitgliedschaft im Bereich des staatlichen Rechts hat. Würde der Staat dem einzelnen Gläubigen die Möglichkeit eines bloßen „Kirchensteueraustritts“ eröffnen, verstieße er gegen Art. 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung. Danach sind diejenigen Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, dazu berechtigt, Kirchensteuern auf der Grundlage der staatlichen Steuerlisten zu erheben. Diese Gewährleistung steht einem reinen „Kirchensteueraustritt“ entgegen.
Von den staatlichen Gerichten nicht zu entscheiden ist die Frage, welche Folgerungen die Kirchen aus einer gegenüber den staatlichen Stellen abgegebenen Kirchenaustrittserklärung ziehen. Ob es, wie anläßlich des Verfahrens in der Öffentlichkeit diskutiert, eine Kirchenmitgliedschaft ohne Kirchensteuerpflicht geben kann, ist allein eine innerkirchliche Angelegenheit, die hier im Fall der katholischen Kirche nach kanonischem Recht zu entscheiden ist.
Kirchenrechtlicher Status des anonymen Ausgetretenen
Das Erzbistum Freiburg verkündet, jedem Katholiken, der etwa aus steuerlichen Gründen seinen Austritt erkläre, müsse wissen, daß dies die Exkommunikation nach sich ziehe. Wohlwissend, daß diese Behauptung falsch ist wird diese immer wiederholt vorgetragen.
Papst Benedikt XVI. approbierte ein Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, daß in Deutschland von den Bischöfen einfach seit vier Jahren ignoriert wird. Es erklärt jene Praxis für kanonisch rechtswidrig, die besagt, der Gläubige sei zu exkommunizieren der vor staatlichen Stellen seinen Kirchenaustritt erklärt.
In dem Schreiben verlangt der Vatikan eine genaue Prüfung durch kirchlichen Autoritäten in jedem Einzelfall. Nur solche Fälle führen zur Exkommunikation, die einen Abfall vom Glauben umfassen oder den Willen beinhalten, sich von der Gemeinschaft der Gläubigen zu trennen. Der anonyme Austritt vor einer stattlichen Behörde, wird in dem 2006 veröffentlichen Dokument ausdrücklich ausgeschlossen. Ein solcher Schritt darf nicht als Exkommunikation gewertert werden.
Konkret heißt daß, man darf seinen Unmut über die Mißstände in seinem Bistum mit einer Erklärung des Austritts vor einer staatlichen Behörde erklären und ist nicht automatisch exkommuniziert.
(PM/ JF)