(Wien) Österreichs Kirche ist in jeder Hinsicht eine Schwester der bayerischen Kirche, weshalb sie Papst Benedikt XVI. bis hinein in die innersten Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit besonders vertraut ist. Dennoch bereiten Österreichs Bischöfe dem Heiligen Stuhl wenig Freude.
Bald nach seiner Wahl erkannte Papst Johannes Paul II. im Zuge seiner Vision einer Neuevangelisierung die Notwendigkeit, die österreichische Kirche durch seinen Episkopat zu erneuern. Der Weg dazu wurde durch den Abgang Kardinal Franz Königs frei, der bis dahin dominanten Gestalt. Es folgten die Berufungen von Pater Hans Hermann Groer zum Erzbischof von Wien (1986), von Kurt Krenn (1987) und Christoph Schönborn (1991) zu dessen Weihbischöfen, von Klaus Küng zum Bischof von Feldkirch (1989), von Georg Eder zum Erzbischof von Salzburg (1989) und Andreas Laun zu dessen Weihbischof (1995) und von Christian Werner zum Militärbischof (1992). Die neue Linie bei den Ernennungen trug die Handschrift von Erzbischof Michele Cecchini, der von 1984 bis 1989 Nuntius in Österreich war.
Aufgeschreckt durch das unbeirrte Handeln Cecchinis bildete sich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre jedoch auch jene bis heute haltende Allianz aus kirchenferner Presse, des pseudokatholischen Umwühlvereins „Wir sind Kirche“ und Teilen der Amtskirche.
Eine erneute Trendwende bei den Bischofsernennungen erfolgte nach der Ernennung von Weihbischof Christoph Schönborn zum neuen Erzbischof von Wien im Jahr 1995, der seither in Österreichs Kirche „das gute und schlechte Wetter macht“ (Paolo Rodari) und vor allem im Gespräch mit den einheimischen Medien zu gerne nach deren Mund redet.
Bereits zwei Mal rief Papst Benedikt XVI. Österreichs Bischöfe zum Besuch nach Rom ad limina apostolorum. Bekannt ist, daß beide Begegnungen einer ordentlichen Kopfwäsche gleichkamen. Ebenso, daß die Bischöfe, wieder in ihre Berge zurückgekehrt, in alpinem Starrsinn verharrten und weder an der Verkündigung noch am mangelhaften Kurs von Ordinariatsämtern und katholischen Vereinen und Einrichtungen etwas änderten.
Im Jahr 2005 zählte der österreichische Episkopat zu den ersten, die vom neugewählten Papst nach Rom gerufen wurden. Der Papst fand strenge Worte. Er warf den österreichischen Bischöfen vor, zu wichtigen Themen der katholischen Glaubens- und Morallehre zu schweigen. Ein schwerwiegender Vorwurf für einen Bischof. Benedikt XVI. benannte auch die Gründe für dieses Schweigen: Erstens aus Angst vor Protesten von ehemaligen Katholiken, die längst ohne Gott leben, sich aber strukturell noch im kirchlichen Umfeld bewegen und sich mit dem Etikett katholisch umhüllen, und zweitens aus Angst vor dem Spott einer glaubensfernen Welt, die in zahlreichen meinungsführenden Medien ihr Sprachrohr hat. Wörtlich warnte der Papst die österreichischen Bischöfe: „Gebt Euch keinen Illusionen hin! Eine unvollständige katholische Verkündigung ist ein Widerspruch in sich und kann auf längere Sicht keine Frucht bringen.“
2009 rief Benedikt XVI. erneut Österreichs Bischöfe nach Rom. Nach ungehaltenen Protesten von Bischöfen, Prälaten und Gläubigen mußte der Papst die Ernennung von Pfarrer Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof von Linz zurücknehmen. Wagner wurde als „zu konservativ“ abgelehnt. Die Begegnung mit den Bischöfen fand hinter verschlossenen Türen statt, dennoch weiß man, daß der Papst sehr hart mit den Oberhirten ins Gebet ging. Sein wenig schmeichelhaftes Urteil über die österreichischen Bischöfe, die kaum einen Finger rührten, um ihn gegen die Angriffe rund um die Rücknahme der Exkommunikation für die vier Bischöfe der Piusbruderschaft zu verteidigen, hatte sich nicht geändert. Wiens Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn war davon nicht ausgenommen, obwohl sich dieser gerne, besonders außerhalb Österreichs, als Schüler Ratzingers präsentiert. Sandro Magister faßte die Ambivalenz des Wiener Erzbischofs bereits im Juni 2009 mit den Worten zusammen: „Ein sichtbarer Widerspruch betrifft die Nummer Eins unter Österreichs Bischöfen, den Kardinal Schönborn: Außerhalb Österreichs gilt er als treuer Freund Ratzingers, in seinem Vaterland aber läßt er den antirömischen Strömungen freie Hand.“ Der eigentliche Widerspruch liegt wohl noch etwas tiefer. In Österreich wie in allen deutschen Ländern existieren längst zwei Parallelkirchen, die nur mühsam und zum Schein unter einem Dach zusammenstehen. Vielleicht wäre ein Schisma jener einst zwar im katholischen Milieu aufgewachsenen, doch selbst weder zum Gehorsam bereiten noch den Katechismus der Kirche in vollem Umfang akzeptierenden Kreise nicht nur ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber der Welt und der Kirche, sondern auch ein Segen für die Kirche.