Zweieinhalb Jahre nach dem historischen Schreiben Papst Benedikts XVI. an die chinesischen Katholiken und kein halbes Jahr nach dem Kompendium zum Schreiben, sendet der Vatikan neue Signale in den Fernen Osten aus. In diesen Tagen war es Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der sich mit einem Schreiben direkt an die Katholiken der Volksrepublik China wandte. Er rief die Katholiken, ob im Untergrund oder in der regimetreuen Vereinigung auf, den Glauben mit verstärktem Einsatz zu leben. Dabei ermahnte er, den Dialog und die Auseinandersetzung mit allen zu akzeptieren, vor allem aber untereinander, zwischen den beiden Teilen der durch das kommunistische Regime gespaltenen Kirche zu pflegen.
Papst Benedikt XVI. hatte 2007 mit seinem Schreiben die Türen Richtung China weit aufgestoßen. Die Überwindung der Spaltung ist ihm auch dort ein vorrangiges Anliegen. Er erkannte – von der Welt kaum beachtet – die vom Regime ernannten Bischöfe der Patriotischen Vereinigung an. Nicht ohne damit die geäußerte Hoffnung zu knüpfen, daß die Verfolgung der romtreuen Untergrundkirche ein Ende findet.
„Er bot dem Regime eine Chance, um im Gegenzug mehr Religionsfreiheit im Land zu erhalten“, wie Paolo Rodari schrieb.
Im päpstlichen Schreiben verknüpften sich die beiden Hauptstränge, der bis dahin im Vatikan eingenommenen Haltung gegenüber China. Auf der eine Seite die härtere Linie der Propaganda Fide, auf der anderen die diplomatischere des Staatssekretariats. Diese neue Strategie findet nun im Schreiben Kardinal Bertones seine Fortsetzung.
Im soeben von US-Präsident Obama bereisten Land der Mitte hat sich in der Substanz wenig geändert. Das Regime hält die Zügel weiterhin fest in der Hand. Die Verfolgung der Christen, allen voran der (Untergrund-)Katholiken, da einer „fremden Macht“ hörig, geht weiter. Die romtreuen Untergrund-Bischöfe werden weiterhin unter Hausarrest gestellt oder verschwinden in irgendwelchen namenlosen Konzentrationslagern, Umerziehungslager genannt. Priester und einfache Gläubige werden bedrängt und mißhandelt. So hat sich unter einem Teil der Untergrund-Katholiken nach anfänglicher Hoffnung eine schwere Enttäuschung breitgemacht. Ihnen scheinen alle Bemühungen und Anstrengungen sinnlos. Als Gegenreaktion wollen sie jeden Dialog abbrechen und keinerlei Kompromisse mehr eingehen, weder mit dem Regime noch mit der Patriotischen Vereinigung. Sie hoffen, daß durch die völlige Isolation und den totalen Rückzug in den Untergrund die schreckliche Verfolgung endlich ein Ende finden könnte.
Das ist der Hintergrund, vor dem Kardinalstaatssekretär Bertone zur Feder griff, um die Untergrund-Kirche vor diesem Schritt zu bewahren und den Dialog mit dem anderen Teil der Kirche nicht abbrechen zu lassen. Mit dem Schreiben Bertones wurden innerhalb von zweieinhalb Jahren zum dritten Mal die Geheimboten ausgesandt, um über verschlungene Pfade – vielleicht erst in einigen Monaten – auch den letzten Bischof der Untergrund-Kirche zu erreichen. Im neuen Schreiben werden sie aufgefordert, nicht aufzugeben und den Dialog auch mit denen nicht abzubrechen, die offensichtlich nicht hören wollen und sie vielmehr behindern. Das Schreiben ist daher sowohl an die Untergrund-Katholiken als auch an die „offiziellen“ Katholiken gerichtet. Damit wird unterstrichen, daß die Worte des Papstes von 2007 weiterhin volle Gültigkeit haben und der Dialog von beiden Seiten gesucht werden soll. Die Anstrengungen sollen nicht aufgegeben, sondern fortgesetzt werden, das ist die Botschaft aus Rom an die chinesischen Katholiken.
Es ist aber nicht die einzige, die derzeit in den Fernen Osten ausgesandt wird. Eine weitere wendet sich sowohl an das Regime in Peking als vor allem auch an die Gläubigen. Es handelt sich um die große Ausstellung über den großen China-Missionar Matteo Ricci aus dem Jesuitenorden. Anlaß ist dessen 400. Todesjahr. Als „großen China-Missionar“ wurde Ricci (1552–1610) bereits mehrfach von Kardinal Bertone bezeichnet. „Groß“, weil er es verstanden habe, die Chinesen ohne schmerzhafte Brüche, indem er neue Wege der Inkulturation beschritt. So wurde er zum ersten Ausländer, dem der Kaiser von China aus der Ming-Dynastie ein Stück Land für sein Grab schenkte. Was Ricci vor mehr als 400 Jahren durch die Kraft des Glaubens vermochte, ist auch heute möglich. Das ist er Kern der Gesamtbotschaft, die durch das Schreiben Kardinal Bertones und durch die Ausstellung im Vatikan an China gerichtet ist.
Links zur Ausstellung:
- die Seite des italienischen Ministeriums für Kunst und Kultur, das Mitveranstalter ist
- Freunde Matteo Riccis
(Palazzo Apostolico/GN)