(Vatikan) Benedikt XVI. sprach heute Vormittag vor den rund 30.000 Besuchern seiner Generalaudienz über die Idee von Kirche im Denken des Völkerapostels Paulus. Bei der Forsetzung seiner Katechesen zum Paulus-Jahr wies der Papst darauf hin, daß die einzelnen Ortskirchen die eine Kirche Gottes seien – jene Kirche, die den Ortskirchen vorangehe und sich in ihnen verwirkliche.
Die Kirche sei, so Papst Benedikt, kein „Verein“, sondern eine von Gott zusammengerufene Gemeinschaft. Um wirklich „Kirche“ sein zu können, die mit dem heiligen Paulus als der Ort verstanden werde, an dem Gott wirklich wohne, als eine „Gemeinschaftsstruktur herzlicher zwischenmenschlicher Beziehungen familiärer Natur“, müßten die Gläubigen selbst der Ort der Liebe Gottes sein, der Ort seiner Gegenwart in dieser Welt und in unserer Geschichte.
Das Wort „Kirche“ leite sich vom griechischen Begriff „ekklesia“ her, der aus dem Alten Testament stamme und die Versammlung des von Gott zusammengerufenen Volkes Israel meine. Jetzt aber sei sie die neue Gemeinschaft der Christgläubigen.
Einerseits bezeichne Kirche die Versammlungen an bestimmten Orten, andererseits aber auch die Einheit der gesamten Kirche. Die Weltkirche sei aber nicht nur die Summe der verschiedenen Ortskirchen. Diese bildeten ja gemeinsam die Kirche Gottes, die den Ortskirchen vorangehe und sich in diesen verwirkliche.
Paulus spreche fast immer von der „Kirche Gottes“, womit gemeint sei, daß Gott sie zusammengerufen habe und es die Einheit Gottes sei, die die Einheit der Kirche schafft: die eine Kirche Gottes, „Braut Christi“.
Der Völkerapostel habe gewußt, dass man nicht durch Zwang zum Christen wird, sondern daß auch die Institutionalität der Kirche an die direkte Verkündigung an die Völker gebunden ist, durch die sie zu einem einzigen Gottesvolk vereint werden.
Der junge Paulus habe sich gegen die neue Bewegung der Kirche Christi gewandt, weil er den überlieferten Glauben der Juden gefährdet gesehen habe. Er habe jedoch durch seine Begegnung mit dem Auferstandenen verstanden, daß die Christen keine Verräter waren. Der Gott Israels sei im Gegenteil zu allen Völkern gekommen. In allen Völkern verwirkliche sich so die Treue zum einen Gott, das eine Volk Gottes, die Kirche Jesu Christi.
Die Wende im Leben des Paulus stehe im Mittelpunkt seiner Verkündigung. Sein Werk der Evangelisierung habe ein einziges Ziel: die Gründung von christlichen Gemeinden. „Wir wissen nicht, warum diese Gemeinde das Wort ekklesia gewählt hat“, erklärte der Papst diesbezüglich. Gewiss sei die Kontinuität mit dem Alten Testament entscheidend gewesen. Es komme darin jedoch ausdrücklich ein Ruf „ab extra – von außen“ zum Ausdruck: Gott forme die einzelnen, damit sie eine Gemeinschaft seien. In dieser Linie sei der paulinische Begriff von Kirche als „Leib Christi“ zu sehen.
Benedikt XVI. zeigte auf, wie sich in diesem Begriff zwei Dimensionen finden lassen: Die erste reflektiere die Soziologie der Zeit des Römischen Reiches, insofern der Leib aus seinen Elementen zusammengesetzt ist und ohne diese nicht existieren würde. Ein Volk sei in dieser Hinsicht wie ein Leib mit verschiedenen Gliedern, die alle notwendig seien, damit der Leib als Ganzes überleben könne. So werde Paulus der Verschiedenheit im Leib der Kirche sowie der Struktur gerecht, die sie vor den Gefahren der Unordnung schütze.
Auf der anderen Seite erkläre Paulus, daß die Kirche nicht nur ein Organismus sei, sondern in der Eucharistie zum Leib Christi werde. In der Eucharistie empfingen die Gläubigen seinen Leib und würden wahrhaft zu seinem Leib: „Alle werden ein Leib und ein Geist in Christus.“
Die Wirklichkeit der Kirche, so Benedikt XVI. abschließend, gehe über das soziologische Bild hinaus: „Wir sind nicht nur eins in Christus, wir sind eine Einheit in Christus.“
(Zenit)