(Rom) Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Motu Proprio durch Papst Benedikt XVI. zieht die katholische Welt eine erste Bilanz. Vergangene Woche fand dazu in Rom die Tagung „Das Motu Proprio Summorum Pontificorum Seiner Heiligkeit Benedikt XVI.: Ein geistlicher Reichtum für die ganze Kirche“ statt, die von der Vereinigung „Jugend und Tradition“ unter der Schirmherrschaft der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ ausgerichtet wurde. An der Tagung nahmen zahlreiche Priester, Ordensleute und Laien teil, die sich darin einig waren, daß es notwendig ist, die Schönheit und der Reichtum der tridentinischen Liturgie des heiligen Pius V. wiederzuentdecken. Diese wurde nie abgeschafft, weder durch das Zweite Vatikanische Konzil noch durch die postkonziliare Liturgiereform. Papst Benedikt XVI. wollte mit dem Motu Proprio deren Zelebration erleichtern, indem er den Pfarrern und Gläubigen mehr Freiheit in der Wahl der Liturgie gewährte und damit gleichzeitig das Vetorecht der Bischöfe einschränkte.
In den Referaten und Diskussionsbeiträgen aus dem Publikum wurden vor allem Schwierigkeiten bei der Interpretation des Motu Proprio zur Sprache gebracht. Manche hohen Prälaten legen restriktive Maßstäbe an. Gleichzeitig gilt es ausreichend zu vermitteln, daß die Erneuerung einer jahrhundertealten liturgischen Tradition nicht irgendeine Restauration oder eine bloße Rückkehr in die Vergangenheit ist, sondern eine Aufwertung und eine Bereicherung der katholischen Kultur und eine Einladung an die Gläubigen zu einer größeren inneren Sammlung, die sie auch äußerlich mehr in das Zentrum der Zelebration führt, der realen Anwesenheit Christi in der Eucharistie.
Bei der Tagung wechselten sich Vorträge und Gebetszeiten ab, wobei vor allem die Heiligen Messen anrührten, die am Morgen an den verschiedenen Altären der Peterskirche zelebriert wurden. P. Vincenzo Nuara OP eröffnete als Tagungsleiter mit dem Hinweis, daß das Motu Proprio „eine Versöhnung innerhalb der Kirche“ zum Ziel habe, denn „es gibt keine Wahrheit ohne Tradition und es gibt keine Tradition ohne Einheit mit der Kirche“. In diesem Sinn „ist die Einheit der Kirche im Papst mit substantiell für den katholischen Glauben“. Von besonderem Interesse war das Referat von Msgr. Camille Perl, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission „Ecclesia Dei“. Seiner Meinung nach antworte das Motu Proprio ohne Zweifel der Notwendigkeit, eine glorreiche liturgische Tradition zu erneuern: Diese dürfe weder mit dem Etikett „Vergangenes“ behaftet werden, noch solle damit der Wert der neuen Liturgie geschmälert werden, vor allem aber sei sie „nicht von Nostalgikern gewünscht worden“.
Die praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Motu Proprio seien auf der ganzen Welt aus den verschiedensten Gründen beachtlich, führte Msgr. Perl aus. In der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel, habe die Bischofskonferenz „sehr bürokratische Anordnungen erlassen, die eine Umsetzung des Motu Proprio erschweren“. Mit größerer Begeisterung wurde die Neuerung in den angelsächsischen Ländern (Großbritannien, USA, Kanada und Australien) und in Frankreich aufgenommen. In Frankreich seien jene Kirchen am Sonntag noch voll, in denen im tridentinischen Ritus zelebriert werde. Das zentrale Problem sei jedoch „der Mangel an Priestern, von denen viele den alten Ritus nicht kennen“. In Italien treffe man hingegen auf die Obstruktion vieler Bischöfe, während „das Vorurteil, der alte Ritus sei überholt“, eine überall ein bißchen anzutreffende Hürde sei. Msgr. Perl gab bekannt, daß es hingegen „unter den jüngeren Priestern“ eine gewisse Begeisterung gebe. „Viele von ihnen wünschen die alte Liturgie zu erlernen, werden darin aber von ihren Bischöfen oder Oberen behindert“, so Perl.
Dario Kardinal Castrillon Hoyos, Vorsitzender der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“, unterstrich in seinem Referat, daß das Motu Proprio darauf abziele, in den Gläubigen den Respekt vor dem Allerheiligsten Altarsakrament zu stärken. „Wenn die Hauptfigur der Zelebration nicht mehr die Dreifaltigkeit ist, sondern der Zelebrant“, stellte der Kardinal fest, „befinden wir uns außerhalb der katholischen Tradition“. Der Purpurträger betonte die Wichtigkeit, die Zelebration in lateinischer Sprache, der Sprache der Kirche, nicht zu behindern, „denn was zählt, ist das Geheimnis Gottes, Seine Realpräsenz im Brot, und nicht die Sprache, in der zelebriert wird“. Gleichzeitig distanzierte sich der Kardinal von den extremen Traditionalisten, die die tridentinische Messe als „Machtinstrument“ mißbräuchten.
Roberto de Mattei, Ordinarius für Kirchengeschichte an der Europäischen Universität von Rom, sprach über die Zusammenhänge zwischen liturgischer Entwicklung und Säkularisierung. Letztere verstanden als langer „historischer Prozeß, der seinen Anfang im Humanismus genommen hat, sich mit der Aufklärung entwickelt und im Laizismus, in der agnostischen und im atheistischen Säkularisierung mündete, die durch den Marxismus und die postmoderne Gesellschaft charakterisiert wird“. Eine Entwicklung, die letztlich „im Ausschluß Gottes und des Christentums aus dem öffentlichen Raum und der Reduzierung der Religion auf ein rein individuelles Phänomen hinausläuft“.
Die Säkularisierung widersetzt sich einer Weltsicht, die auf dem Primat des Heiligen gründet, die den Menschen nicht nur ein soziales Tier sein läßt, wie es Aristoteles sah, sondern vielmehr als einen „Homo religiosus“, dessen Beziehung zu Gott sich in der Liturgie ausdrückt. Die Liturgie ist nichts anderes, als „das öffentliche Gebet der Kirche, der nicht private Kult des einzelnen Menschen, sondern der Gemeinschaft der Getauften, die sich um das Heilige Altaropfer versammelt“. Nach de Mattei gibt es „keinen größeren Gegensatz zur Säkularisierung“ als dieses Opfer, das sich am besten in der „Konsekrationsformel ausdrückt, die sich, wie das Konzil von Trient in Erinnerung rief, teils direkt auf den Worten des Herrn beruht, teils auf der Überlieferung der Apostel und teils auf der Überlieferung der heiligen Päpste“.
Die höchste Ehrerweisung gegenüber der wunderbaren Realpräsenz Gottes unter den Menschen ist die Stille. „Der alte römische Ritus läßt keine Mißverständnisse zu“, und drückt am besten den Sinn der göttlichen Transzendenz aus. Die Wiedergewinnung des alten Ritus durch das Motu Proprio, darf nicht im Gegensatz zu den neueren Riten gesehen werden, wenn auch der tridentinische Ritus „mit perfekter Klarheit jene einzige Ekklesiologie ausdrückt, die sich wirklich katholisch nennen kann und die jede Liturgie ausdrücken muß. Jene gregorianische Liturgie erinnert uns durch ihre Momente der Stille, ihre Kniebeugen, ihre Ehrerweisungen, die unendliche Distanz, die den Himmel von der Erde trennt; sie erinnert uns, daß unser Horizont nicht das Irdische ist, sondern das Himmlische; sie erinnert uns, daß nichts möglich ist ohne das Opfer und daß das Geschenk des natürlichen und des übernatürlichen Lebens ein Geheimnis ist“, so de Mattei. Der alte römische Ritus hat zudem die glorreichsten Momente der Kirchengeschichte geprägt „unter der grandiosen Kuppel der Peterskirche ebenso wie in den bescheidensten und entlegensten Kappellen an den äußersten Enden der Welt“. Aus all diesen Gründen stellt dieser Ritus „heute, in der Absicht Benedikt XVI. eine wirksame Antwort auf die Herausforderung der Säkularisierung dar“.
Unter den Tagungsteilnehmern ist auch Hochw. Nicola Bux, ein Konsultor der Glaubenskongregation zu nennen. Er unterstrich in seinem Diskussionsbeitrag die besondere Bedeutung der zentralen Anordnung des Tabernakels und des Kreuzes im Altarraum, um der Zelebration jene Heiligkeit zurückzugeben, die ihr zukommt. Vor allem praktische Anmerkungen machten Hochw. Joseph Kramer, Pfarrer der im Sinn des Motu Proprio in Rom errichten Personalpfarrei SS. Trinità dei Pellegrini, und Hochw. Joseph Luzuy vom Institut Christus König Hoherpriester.
Die dreitägige Tagung schloß mit den Referaten von Hochw. Manfred Hauke von der Theologischen Fakultät Lugano, P. Michael Lang von der Europäischen Universität in Rom und P. Massimiliano Zangheretti, Dozent an der Theologischen Hochschule „Immacolata Mediatrice“.
(CR/JF)