(Rom) Die italienischen Wahlen sind geschlagen. In Stichworten läßt sich sagen: Berlusconis Partei der Freiheit ist der unumstrittene Wahlsieger. Die föderalistische Lega Nord verdoppelt ihren Anteil durch katholische Stimmen.
Welche Schlüsse sind aus den Parlamentswahlen in Italien zu ziehen? Silvio Berlusconi ist der unumstrittene Sieger des vorgezogenen Urnengangs, der notwendig wurde, nachdem sich ein buntes linkes Regierungsbündnis bereits nach 21 Monaten als regierungsunfähig erwies.
Das politische System Italiens wurde am Wochenende durch ein Erdbeben umgebaut. Es ist das zweite Erdbeben nach dem Zusammenbruch der einst mächtigen Christdemokraten 1994. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft, bisher Kennzeichen der vielzitierten „italienischen Verhältnisse“, ist über Nacht verschwunden. Dem neuen Parlament gehören nur fünf Parteien an: je zwei des siegreichen Rechtsbündnisses und des nun oppositionellen Linksbündnisses. Die beiden Großen haben alles aufgesogen oder ausgegrenzt, was rechts und links von ihnen stand.
In der Mitte konnte sich hingegen als dritte Kraft die christdemokratische Zentrumsunion UDC behaupten. Der politische Katholizismus hat den Kahlschlag der beiden Großen überlebt und wird weiterhin eine eigenständige Größe auf der politischen Bühne sein.
Eine beachtliche Zahl an katholischen Abgeordneten entsenden auch die zwei großen Blöcke in beiden Häuser des italienischen Parlaments. Das stand bereits vor den Wahlen fest, da die Parteizentralen über die aussichtsreichen Listenplätze entscheiden. Wie aber haben die katholischen Wähler entschieden?
Die bisherige Familienministerin, die linkskatholische Rosy Bindi brachte es in einer ersten Analyse auf den Punkt: „Die Katholiken haben die UDC gewählt und – wenn mir auch unverständlich – die Lega Nord, dann Berlusconi und dann erst uns.“ Mit „uns“ meinte sie die neugegründete Demokratische Partei, in der sich die gemäßigte Linke aus geläuterten Kommunisten, Linksliberalen und Linkskatholiken unter der Führung des ehemaligen Bürgermeisters von Rom Walter Vetroni gesammelt hatte.
Die norditalienische Lega Nord mit Wähleranteilen von über 20 Prozent in den wirtschaftsreichsten Regionen Italiens wird erheblichen Einfluß auf die künftige Regierungslinie ausüben. Das bedeutet weitere Schritte hin zu Dezentralisierung und Föderalisierung der Apenninenhalbinsel.
Regelrecht hinweggefegt wurde die radikale Linke aus Kommunisten und Grünen. Das linksradikale Bündnis mit deutlich antiklerikalen Zügen vertrat in allen gesellschaftspolitischen und bioethischen Fragen entgegegensetzte Positionen als sie die Kirche und der Papst immer wieder zum Schutz des Lebens und der Menschenwürde einmahnte. Die vier Parteien der äußersten Linken vertraten bis zum Wahltag mit 14 Prozent einen beachtlichen Teil des Wählerspektrums. Übrig geblieben sind davon kaum mehr als magere drei Prozent. Erstmals seit Kriegsende wird kein kommunistischer Abgeordneter mehr dem Parlament angehören (ebensowenig kein Grüner). In ersten Stellungnahmen erklärte der Parteivorsitzende Bertinotti die Niederlage damit, daß man „zu wenig vor die Fabriken“ gegangen sei, und Generalsekretär Diliberto meinte, daß es am Listenzeichen ohne Sichel und Hammer gelegen habe. „Wenn man so realitätsfremd ist, darf man sich über ein solches Wahlergebnis nicht wundern“, kommentierte der Bürgermeister Venedigs und Philosoph Massimo Cacciari.
Der designierte Finanzminister der künftigen Rechtsregierung, Giulio Tremonti, zeigte sich darüber am meisten besorgt. Das mochte erstaunen. Ein Moderator meinte darauf: „Die Wähler haben entschieden. Wo liegt das Problem?“ Doch Tremonti fürchtet eine Radikalisierung der nun außerparlamentarischen Linksradikalen. Es ist erst sechs Jahre her, als 2002 einer der führenden italienischen Wirtschaftsexperten einem Attentat der Terrororganisation Rote Brigaden zum Opfer fiel.
Mit bescheidenen 0,4 Prozent mußte sich Giuliano Ferraras Anti-Abtreibungsliste zufriedengeben. Mehr hatte man auch nicht erwartet. Ferraras erstes Ziel war, das Thema Abtreibung aus der völligen Tabuisierung zu holen und zum Wahlkampfthema zu machen. Das ist ihm meisterhaft gelungen und wird die ganze Legislaturperiode hindurch nachwirken. Sein zweites Ziel, „eine Handvoll“ aktiver Lebensschützer ins Parlament zu bringen, war bereits gescheitert, als ihm Berlusconi das Bündnis verweigerte. Nach dem alten Wahlrecht hätte Ferraras Liste drei Vertreter ins Abgeordnetenhaus schicken können. Das neue Wahlrecht mit seinen mehrfachen Wahlhürden ließ das nicht zu.
Dennoch nützte er unverdrossen die Möglichkeiten des Wahlkampfs um seinen „kulturellen Kreuzzug“ für ein internationales Abtreibungsmoratorium und gegen „westlichen Relativismus und Indifferenz“ fortzusetzen. Dafür wurde der brillante Intellektuelle und glänzende Politstratege mit der Fähigkeit neue politische Begriffe zu prägen, zur meistgehaßten Angriffsfläche von Linksradikalen und Radikalfeministinnen.
Aus seinem Umfeld heißt es zum Wahlausgang: „Auch nach den Wahlen wird sich der Weg finden, um auf jenem Gebiet die Arbeit fortzusetzen, auf dem sie begonnen wurde: Kultur, Ideen, Information, Agitation. Denn es geht um ein hervorragendes menschliches Abenteuer, das gemeinsam mit allen Kandidaten und Unterstützern begonnen wurde, um eine Liste, die wir von Anfang an als verrückte Liste bezeichnet haben. Die Italiener haben entschieden, daß sie keine monothematische Abtreibungspartei wollen. Die Abtreibunsgpille RU-486, das Abtreibungsgesetz, Euthanasie und Eugenik und alle anderen bioethischen Themen werden aber Themen der künftigen Regierungsarbeit sein. Das Wahlergebnis bedeutet die Niederlage einer verrückten Liste, durch die jedoch die Tabuisierung durch ein verschworenes Schweigen von Politik und Medien durchbrochen worden ist. Das bleibt und darauf kann aufgebaut werden.“
(JF)