(Bologna) Giuliano Ferrara, Spitzenkandidat der Liste „Ja zum Leben – Abtreibung? Nein danke“, ist im italienischen Parlamentswahlkampf zum Hauptziel gewalttätiger Angriffe geworden. Während der Wahlkampf für die vorgezogenen Parlamentswahlen in Italien insgesamt wenig dramatisch verläuft, da ein erneuter Wahlsieg der Linken von Demoskopen und Wahlbeobachtern allgemein für unerreichbar gehalten wird, konzentrieren linksextreme Kreise aus den anarchistischen „Sozialzentren“ ihre Angriffe auf den Intellektuellen Giuliano Ferrara. Seine Liste für ein Abtreibungsmoratorium stellt die eigentliche Neuigkeit des laufenden Wahlkampfes dar.
Am Mittwoch versuchten Linksextremisten und radikale Feministinnen die Wahlkampfveranstaltung Ferraras im traditionell „roten“ Bologna zu verhindern. Rund 1000 radikale Demonstranten versuchten den Platz zu stürmen, was ein großes Polizeiaufgebot verhinderte. Die Demonstranten bewarfen die Lebensschützer mit Tomaten, Eiern und Münzen und versuchten durch Lärmen mit Trillerpfeifen , Töpfen und Sprechchören die Wahlreden zu übertönen. Als die Extremisten den Polizeiring durchbrechen wollten, kam es auch zum Einsatz von Schlagstöcken. Ferrara, selbst ehemaliger Kommunist und mit deren politischen Kampagnen vertraut, antwortete seinen Gegnern von der Tribüne lapidar mit den Worten: „Ihr konntet unseren Auftritt in Bologna nicht verhindern.“ Am gestrigen Donnerstag versuchten linke Gegendemonstranten die gut besuchten Wahlveranstaltungen in Ancona und Pesaro zu stören.
Die harten Angriffe gegen die Liste „Ja zum Leben – Abtreibung? Nein danke“ führten zu einer allgemeinen Solidarisierung der anderen politischen Gruppen. Walter Veltroni, Spitzenkandidat der gemäßigten Linken sprach Ferrara telefonisch die Solidarität aus. Der scheidende Ministerpräsident Romano Prodi schickte einen Brief auf Bukarest mit den Worten: „Die Angriffe gegen sie beleidigen mich in doppelter Hinsicht: einmal als Regierungsvertreter und auch als Bürger von Bologna.“ Ebensolche Solidarität kam aus den Reihen der bürgerlichen Parteien und der Rechten. Einzig eine Gruppe weiblicher Abgeordneter der Linken stellte sich indirekt auf die Seite der radikalen Demonstranten, so die kommunistische Abgeordnete Manuela Palermi, die „die Frauen“ aufforderte, alle Kundgebungen von Ferraras Liste zu behindern.
Das Bild ähnelt früheren Wahlkämpfen, neu ist der Adressat der Angriffe. Ferraras intellektueller Anstoß zu einem internationalen Abtreibungsmoratorium versetzt seit Dezember 2007 die Abtreibungsbefürworter von den Radikalliberalen über die Feministinnen bis zu den Linksextremen in Rage.
Die Aussichten auf einen Einzug von Ferraras Liste in das italienische Parlament sind wegen hoher Wahlhürden gering. Dessen ist sich der Chefredakteur der Tageszeitung Il Foglio bewußt. Er nützt den Wahlkampf, um einen kulturellen Denkwandel auszulösen. Und das gelingt ihm durchaus erfolgreich. Die Abtreibung wurde unerwartet zu einem Wahlkampfthema aller Parteien.
(JF)